Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Gewinnkorrektur nach § 160 AO und zur Gewinnhinzuschätzung nach § 162 AO bei Domizilgesellschaften
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 160 AO verfolgt das Ziel, mögliche Steuerausfälle zu verhindern, die dadurch eintreten können, dass der Empfänger geltend gemachter Betriebsausgaben die Einnahmen bei sich nicht steuererhöhend erfasst. Dementsprechend ist § 160 AO nur anwendbar, wenn eine Leistungsbeziehung mit einem "Gläubiger" oder "Empfänger" besteht. Bestehen hingegen Forderungen, braucht der Schuldner nicht benannt zu werden; dieser ist kein "Empfänger". Auf gewinn- und steuermindernde Vorgänge, die nicht "Schulden und Lasten" betreffen, ist die Vorschrift nicht anwendbar. Die Unterhaltung von Geschäftsbeziehungen zu (Domizil-)Gesellschaften im niedrig besteuernden Ausland dient in der Regel dazu, die inländische Steuerbelastung zu mindern und steuerliche Erträge in das Ausland zu verlagern. Eine Schätzung, die dessen ungeachtet davon ausgeht, dass Erträge aus dem niedrig besteuernden Ausland -im Streitfall: der Schweiz- in das Inland vermittelt werden, verstößt gegen das Schlüssigkeitsgebot einer Schätzung und ist zu verwerfen.
Normenkette
AO §§ 160, 162
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zurechnung und Anerkennung einer Kommanditeinlage sowie über die Berücksichtigung von Betriebsausgaben im Zusammenhang mit Geschäftsbeziehungen zu einer Aktiengesellschaft liechtensteinischen Rechts.
Der Kläger ist ehemaliger Gesellschafter der A. KG (im Folgenden "KG").
Die KG wurde mit notariellem Vertrag vom 20.10.1994 gegründet. Gegenstand der Gesellschaft war der Im- und Export von Waren aller Art, insbesondere von Lebensmitteln, Spirituosen und Zigaretten. Der Geschäftsbetrieb der KG sollte gemäß Gesellschaftsvertrag am 01.07.1994 aufgenommen werden. Persönlich haftender Gesellschafter der KG war der Kläger mit einer Einlage in Höhe von 45.000 DM. Das Kommanditkapital entfiel gemäß Gesellschaftsvertrag auf eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts, die B. AG, diese handelnd durch ihr alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied G. H., mit einer Einlage in Höhe von 172.500 DM, und auf Herrn I. J. als Treuhandkommanditisten für den Beigeladenen, mit einer gezeichneten Einlage in Höhe von 82.500 DM. Nach Vollbeendigung der KG durch Austritt der Kommanditisten J. und der B. AG zum 31.12.1996 führte der Kläger das Unternehmen als Einzelunternehmen unter der Firma "K. A." fort. Eine (anteilige) Rückzahlung der Kommanditeinlage an die B. AG ist nicht aktenkundig. Die Buchführung der KG entsprach in den Streitjahren den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO und war formell ordnungsmäßig, § 158 AO.
Sitz der B. AG war Q., Schweiz, mit postalischer Anschrift unter der Privatadresse von Herrn M. N., X.-Straße, Q.. Nach Auskunft der Informationszentrale Ausland beim Bundesamt für Finanzen vom 24.06.1994 handelte es sich bei der B. AG um eine Domizilgesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb. Die Gesellschaft wurde später in die C. AG umbenannt und unter dieser Firma am 15.08.2006 aus dem Handelsregister des Kantons R. gelöscht.
In 1995 und 1996 unterhielt die KG Geschäftsbeziehungen mit der D. AG, einer Aktiengesellschaft liechtensteinischen Rechts. Die D. AG wurde am 06.02.1995 gegründet und hatte ihren Sitz in S., Liechtenstein, Y-Straße. Unter dieser Adresse unterhielt die Gesellschaft keinen eigenen Geschäftsbetrieb. Dort befanden sich vielmehr nur die Geschäftsräume der Repräsentantin der D. AG, der E. Schriftliche Vereinbarungen über die Geschäftsbeziehungen zwischen der KG und der D. AG liegen nicht vor.
In seiner Funktion als Geschäftsführer der KG war der Kläger als Handelsagent für die D. AG tätig. Dafür stellte die KG der D. AG in dem Zeitraum von April 1995 bis Februar 1996 zahlreiche Kosten in Rechnung, etwa für Miete, Kfz-Nutzung, Gehalt und Reiseaufwendungen. In 1995 nahm die KG in der Annahme, dass sie der D. AG zu Unrecht eine Tätigkeitsvergütung in Rechnung gestellt habe, auf diese Forderung in Höhe von 146.169,84 DM eine ertragswirksame Forderungsabschreibung vor. Weiter verbuchte die KG in 1995 einen angeblichen Diebstahl von Waren in Usbekistan im Wert von 300.000 DM sowie Wareneinsatzkosten in Höhe von 51.332 DM als Betriebsausgaben. Beide Vorgänge wurden der KG von der D. AG in Rechnung gestellt.
Der Beklagte erließ unter dem 30.12.1996 Gewinnfeststellungsbescheide gegen die KG für die Jahre 1994 und 1995. Den für 1994 erklärten Gewinn erhöhte der Beklagte im Rahmen einer Teilschätzung nach § 162 AO um die in dem Jahresabschluss der KG ausgewiesene Kommanditeinlage der B. AG in Höhe von
172.312,62 DM. Da sich die Herkunft der - in der Gründungsphase der KG geleisteten - Kommanditeinlage nicht eindeutig nachvollziehen lasse, erhöhe diese den Gewinn als ungeklärter Vermögenszuwachs. Den sich danach für 1994 ergebenden Gesamtgewinn von 351.824 DM verteilte der Beklagte auf den Kläger und den Beigeladenen. Für 1995 stellte der Beklagte den erklärten Verlust in Hö...