Entscheidungsstichwort (Thema)

Art und Weise der Berechnung der Kosten des Vorverfahrens bei zwei Einspruchsverfahren, die in eine Klage mündeten

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Kosten für zwei getrennte Vorverfahren, die auf verschiedenen Steuerbescheiden beruhen, werden mit zwei Geschäftsgebühren unter Zugrundelegung des jeweiligen Einzelstreitwerts angesetzt, auch wenn die getrennten Streitigkeiten im Klageverfahren verbunden werden.

2) Aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO folgt nicht, dass auch für das Vorverfahren ein Gesamtstreitwert zu bilden wäre.

 

Normenkette

RVG § 22 Abs. 1; FGO § 139 Abs. 3 S. 3; RVG § 15 Abs. 2 S. 1

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie die der Erinnerungsgegnerin vom Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten des Vorverfahrens zu berechnen sind.

Die Bevollmächtigten der Erinnerungsgegnerin hatten getrennt Einspruch eingelegt gegen die Umsatzsteuerbescheide 2004 vom 12. Juni 2006 und 2005 vom 5. September 2007. Der Erinnerungsführer hat über die getrennt erhobenen Einsprüche durch gemeinsame Einspruchsentscheidung vom 20. September 2007 entschieden. Darin hat er die Umsatzsteuerfestsetzungen zu Lasten der Erinnerungsgegnerin erhöht.

Die Erinnerungsgegnerin hat gegen die Einspruchsentscheidung die Klage 5 K 3827/07 erhoben. Der 5. Senat hat mit Urteil vom 25. Mai 2011 der Klage stattgegeben und die Kosten dem Beklagten und Erinnerungsführer auferlegt. Mit Beschluss vom 21. September 2011 wurde die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt.

Am 16. September 2011 beantragte die Erinnerungsgegnerin, die ihr zu erstattenden Kosten festzusetzen. Dabei legte sie jeweils eine 2,5 Geschäftsgebühr für den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2004 und den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005 zugrunde. Sie ging jeweils von dem Gegenstandswert für das einzelne Verfahren aus.

Der Kostenbeamte des Finanzgerichts setzte mit Beschluss vom 12. Oktober 2011 die der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Kosten insoweit antragsgemäß fest.

Hiergegen hat der Erinnerungsführer rechtzeitig Erinnerung eingelegt. Mit dieser trägt er vor:

Der Streitwert für das gerichtliche Verfahren bestimme sich nach § 52 GKG. Würden in einem gerichtlichen Verfahren mehrere selbständige Klagebegehren im Sinne des § 43 GKG behandelt, so sei nur ein Gesamtstreitwert festzusetzen. Da der Streitwert des Klageverfahrens auch maßgeblich für die Berechnung der erstattungsfähigen Kosten des außergerichtlichen Verfahrens sei, sei auch hier ein Gesamtstreitwert zu bilden.

Der Erinnerungsführer beantragt,

den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Oktober 2011 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren nur einheitlich nach einem Gesamtstreitwert ermittelt wird.

Die Erinnerungsgegnerin beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus:

Die Bildung eines Gesamtstreitwerts für das gerichtliche Verfahren sei angezeigt gewesen, da durch die Erhebung einer Klage mit zwei getrennten Klagegegenständen nur eine Angelegenheit im Sinne der § 17, 22 Abs. 1 RVG entstanden sei. Bezüglich der Einspruchsverfahren liege die Sache anders. Hier habe es zwei getrennte Verfahren gegeben. Der Gegenstandswert des außergerichtlichen Vorverfahrens bestimme sich nach dem Umfang, in dem der außergerichtliche Rechtsbehelf erfolglos geblieben und im Klageverfahren weiterverfolgt worden sei. Erfolglos geblieben und in Gänze weiterverfolgt worden seien die Umsatzsteuerbeträge in Höhe von 805.665,12 EUR für 2004 und in Höhe von 592.796,96 EUR für 2005.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.

Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtmäßig und verletzt den Erinnerungsführer deshalb nicht in seinen Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – analog.

Der Kostenbeamte hat in dem Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht zweimal die Geschäftsgebühr unter Zugrundelegung des jeweiligen Einzelstreitwerts angesetzt.

1. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 des RechtsanwaltsvergütungsgesetzesRVG – kann der Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass der Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr für jede eigene Angelegenheit fordern kann, d.h. bei verschiedenen Angelegenheiten entstehen jeweils getrennte Geschäftsgebühren.

Dieselbe Angelegenheit liegt u.a. nur dann vor, wenn sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts in dem gleichen Rahmen abspielt (Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 15 RVG, Rn. 8). Getrennt erhobene Einsprüche gegen verschiedene Steuerbescheide führen zu mehreren Verfahren. Mehrere Verfahren bedeuten mehrere Angelegenheiten (Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl. 2010, § 15 RVG, Rn. 17; vgl. auch das Beispiel bei Mayer, a.a.O., mit der Geltendmachung von Ansprüchen in einer Unfallsache in einem oder in zwei Briefen). Es ist deshalb in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung unstrittig, dass die einmal entstandene Geschäftsgebühr auch bei späterer V...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?