Entscheidungsstichwort (Thema)
Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist einer Schenkungsteuerfestsetzung
Leitsatz (redaktionell)
1) Für die Schenkungsteuer beginnt die Festsetzungfrist nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat.
2) Diese Anlaufhemmung nach §§ 145 Abs. 2 Nr. 2b RAO, 170 Abs. 5 Nr. 2 AO wird nicht schon dadurch beendet, dass irgendeine Dienststelle irgendeines Finanzamts von den die Schenkungsteuerpflicht begründenden Umständen erfährt. Erforderlich ist vielmehr, dass die zur Festsetzung der Schenkungsteuer organisatorisch berufene Dienststelle des örtlich zuständigen Finanzamts gemäß §§ 74 RAO, 35 ErbStG von dem Erwerb in einer Weise Kenntnis erlangt, die ihr - ggfls. nach weiteren Ermittlungen - die Prüfung möglich macht, ob ein Schenkungsteuertatbestand erfüllt ist.
Normenkette
RAO § 145 Abs. 2 Nr. 2b, § 74; AO 1977 § 170 Abs. 5, 5 Nr. 2; ErbStG § 35; RAO § 145 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist in erster Linie, ob die Schenkungsteuer wegen Übernahme anteiliger Herstellungskosten für in 1972/73 auf Grundstücken des Klägers errichtete Gebäude durch seinen Vater im Zeitpunkt der Festsetzung bereits verjährt war.
Der Kläger und sein Bruder sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer des im Grundbuch von A Bl. … eingetragenen Grundstücks S – T, … sowie des im Grundbuch von B Bl. … eingetragenen Grundstücks U. Die Einheitswerte dieser Grundstücke waren zum 1. Januar 1962 auf …,– DM (U), …,– (S) und …,– DM (T), insgesamt also auf …,– DM festgestellt worden; zum 1. Januar 1964 erhöhten sich die Grundbesitzeinheitswerte auf …,– DM (U), …,– DM (S) und … DM (T), insgesamt also auf …,– DM. Den Grundbesitz hatte der Großvater des Klägers diesem und seinem Bruder mit notariellem Vertrag vom 22. August 1969 unter Nießbrauchsvorbehalt geschenkt. Nießbrauchsberechtigt war, beginnend mit dem Tod des Großvaters (zu 70%) und seiner Ehefrau – der Großmutter des Klägers (zu 15%) – dessen Mutter. Zugunsten des Vaters des Klägers war ein Nutzungsrecht nicht vorgesehen. Die Großeltern des Klägers verstarben in den Jahren … (Großvater) bzw. … (Großmutter).
Die Eltern des Klägers hatten, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, Herstellungskosten für Bürogebäude und Lagerhallen i.H. von insgesamt …,– DM übernommen, die ab 1972 (bis 1987) auf dem dem Kläger und seinem Bruder gehörenden Grundstück S/T, … errichtet worden waren. Die hier interessierenden Gebäude, deren Herstellungskosten die Eltern des Klägers in der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1975 mit …,– DM beziffert hatten, wurden im Jahre 1974 bezugsfertig. Für die wirtschaftliche Einheit Geschäftsgrundstück auf fremdem Grund und Boden wurde auf den 1. Januar 1975 ein Einheitswert i.H. von …,– DM festgestellt (vgl. Nachfeststellungsbescheid vom 30. April 1976).
Die Mutter des Klägers ist am … verstorben.
Unter dem 4. Oktober 1990 übersandte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung F der Erbschaftsteuerstelle des beklagten Finanzamts C eine Kopie der Beanstandungen der Vorprüfstelle des Landesrechnungshofs (LRH), in der unter anderem der vorerwähnte Sachverhalt – Übernahme der anteiligen Gebäudeherstellungskosten durch den Vater des Klägers – dargestellt war und eine Unterrichtung der Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle „zwecks Prüfung einer eventuellen Schenkungsteuerpflicht” angeregt wurde. In dem Vermerk heißt es einleitend:
„StNr. … Eheleute D, … (verst. am …), und E, …
Die Akten wurden Mitte 1989 vom bisher zuständigen FA G übernommen.
Nach Aktenlage wurden folgende Sachverhalte bisher nicht auf ihre erbschaft- und schenkungsteuerliche Relevanz hin überprüft bzw. nicht der Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle mitgeteilt:
………”
Nachdem der Kläger der Aufforderung, wegen des vorbeschriebenen Sachverhalts eine Schenkungsteuererklärung abzugeben, nicht nachgekommen war, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 der Abgabenordnung (AO) und erteilte dem Kläger am 15. Dezember 1993 einen Steuerbescheid über …,– DM. Dabei ging er hinsichtlich der anteiligen Übernahme der Gebäudeherstellungskosten vom Vorliegen einer mittelbaren Grundstücksschenkung aus. Deren Erwerbswert berechnete er wie folgt:
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HK für Gebäude auf Grundstücken |
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der Söhne (S/T) |
… DM |
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Einheitswerte nach Errichtung (1.1.1974) |
… DM |
./. |
Einheitswerte vor Errichtung (1.1.1972) |
… DM |
= |
Einheitswerterhöhung |
… DM |
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davon ½ Anteil Vater |
… DM |
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davon ½ Anteil Kläger |
… DM |
Der Einspruch des Klägers führte zu einer Erhöhung der Schenkungsteuer auf …,– DM, die darauf beruhte, dass der Beklagte statt des bisher angesetzten Freibetrags von 90.000,– DM nurmehr einen solchen i.H. von 30.000,– DM berücksichtigte.
Mit seiner Klage macht der Kläger primär Verjährung des Steueranspruchs geltend. Hilfsweise begehrt er, bei Ermittlung der Nettobereicherung aufgrund der mittelbaren Grundstücksschenkung „die Vorenthaltung des wirtschaftlichen Eigentums” als Belastung in Abzug zu bringen. Zur Begründung seiner Auffassung trägt er im wesentliche...