Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiträge zur Erhöhung einer Verlustrücklage als Versicherungsentgelt

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Im Wege des Umlageverfahrens von den Versicherungsnehmern vereinnahmte Beiträge eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit für die Erhöhung einer Verlustrücklage nach § 37 VAG a.F. sind steuerpflichtige Versicherungsentgelte i.S.v. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 VersStG.

2) Für die Annahme eines Versicherungsentgelts ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, ob die Verlustrücklage nach § 37 VAG a.F. in der Vergangenheit in Anspruch genommen wurde, inwieweit die Inanspruchnahme zukünftig wahrscheinlich ist, ob die Regulierung der vom Versicherungsverein zu erbringenden Schadenzahlungen stets und allein – ohne Inanspruchnahme der in der Verlustrücklage eingestellten Beträge – durch ein besonderes, unbegrenztes Umlagesystem des Vereins sichergestellt werden kann und vor welchem Hintergrund bzw. anlässlich welcher behördlichen Maßnahme (hier: schriftliche Aufforderung durch die BaFin) die Bildung der Verlustrücklage erfolgt ist.

 

Normenkette

VersStG § 3 Abs. 1; VAG a.F. § 37; VersStG § 1 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Aktenzeichen II R 36/17)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die vom Kläger vereinnahmten Beiträge, um diese der vom Kläger zu bildenden Verlustrücklage zuzuführen, der Versicherungsteuer unterliegen.

Der Kläger ist ein seit … bestehender Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, dessen Versicherungsnehmer ausschließlich seine, des Klägers, Mitglieder sind. Der Kläger gewährt entsprechend seinem satzungsmäßig festgelegten Zweck seinen Mitgliedern und Versicherungsnehmern auf Basis eines kostendeckenden, gewinnfreien und unbegrenzt nachschüssigen Umlageverfahrens Versicherungsschutz unter anderem gegen Schäden und Ersatzansprüche aus dem Bahn- und Kraftfahrtbetrieb. Mitglieder des Klägers können alle in Deutschland gelegenen … sein.

Die vom Kläger zu erbringenden Versicherungsleistungen werden abhängig vom jährlichen Finanzbedarf (Geldbedarf) durch Beiträge, die von den Mitgliedern des Klägers erbracht werden, finanziert. Der für ein Kalenderjahr ermittelte Geldbedarf nach § 26 der Satzung des Klägers (bestehend aus im Kalenderjahr geleisteten Zahlungen für Versicherungsfälle des Kalenderjahres oder früheren Schadensentstehungsjahren sowie den Verwaltungskosten) wird jeweils im Folgejahr durch Umlagen grundsätzlich auf die Mitglieder des Klägers anhand des ebenfalls in der Satzung (§ 27) geregelten Verteilungsschlüssels verteilt. Nach § 27 Abs. 11 der Satzung des Klägers ist der Vorstand berechtigt, wegen der unterjährig auszuzahlenden Versicherungsleistungen und der unterjährig anfallenden Verwaltungskosten im Laufe eines jeden Kalenderjahres nach Bedarf bei den Mitgliedern Vorschüsse auf die Umlage zu erheben. Diese Vorschüsse werden im Folgejahr mit dem tatsächlich von dem Mitglied zu erbringenden Beitrag an der Jahresumlage für das vorangegangene Geschäftsjahr verrechnet; gegebenenfalls überzahlte Beträge werden zurückerstattet, zu wenig gezahlte Beträge werden nachgefordert. Nach § 28a der Satzung des Klägers werden die nicht geleisteten Umlagen eines mit der Zahlung der Umlage endgültig ausfallenden Mitglieds auf die verbleibenden Mitglieder nach dem satzungsgemäßen Schlüssel verteilt.

Seit der Gründung … bis zum Jahre 2007 sah die Satzung des Klägers – gebilligt durch die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde, zuletzt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – weder einen Gründungsstock im Sinne von § 22 Versicherungsaufsichtsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (VAG a.F.; entspricht § 178 VAG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung – VAG n.F.) noch eine Verlustrücklage im Sinne von § 37 VAG a.F. (entspricht § 193 VAG n.F.) vor. Auf Basis des satzungsmäßigen Umlagesystems trat beim Kläger seit der Gründung … keine Gewinn- oder Verlustsituation ein. Das jeweilige Jahresergebnis war seither stets ausgeglichen.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2006 (Bl. 100 der Gerichtsakte –GA–) wurde der Kläger seitens der BaFin unter anderem aufgefordert, eine Verlustrücklage nach § 37 VAG a.F. zu bilden und dementsprechend seine Satzung zu ändern. Aufgrund dessen wurde mit Beschluss der Hauptversammlung des Klägers vom 10. Mai 2007 eine entsprechende Regelung zur Verlustrücklage in § 13 Abs. 3 der Satzung des Klägers aufgenommen. Dieser Satzungsregelung entsprechend wurde zunächst zum 31. Dezember 2006 eine Verlustrücklage (Reservefonds) in Höhe von 2,25 Millionen € gebildet, die sodann aufgrund des Beschlusses der Jahreshauptversammlung um 150.000,– € erhöht wurde. Der Erhöhungsbetrag wurde im zweiten Quartal 2007 – wie die üblichen Umlagevorschüsse nach § 27 Abs. 11 der Satzung des Klägers – von den Mitgliedern des Klägers eingefordert. Im Jahre 2009 wurde die Verlustrücklage um einen weiteren Betrag in Höhe von 228.000,– € erhöht und wiederum im Umlageverfahren von den Mitgliedern eingefordert.

Der Beklagte führte im Jahre 2011 beim Kläge...

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