Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalverlust; Wertpapier, vorzeitige Einlösung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Ermittlung der Kapitaleinkünfte nach der Differenzmethode kann ein Kapitalverlust aufgrund vorzeitiger Einlösung eines Wertpapiers nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung geltend gemacht werden.
2. Unter dem Begriff "Einlösung bei Endfälligkeit" kann keine vorzeitige Rückzahlung des Kapitals aufgrund einer Leistungsstörung verstanden werden, deren Ursache im Verhalten des Emittenten oder weiterer Vertragspartner liegt.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Sätze 4, 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der steuerpflichtige Ertrag einer Gleitzinsanleihe anhand der sogenannten Marktrendite (Differenzmethode) im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 EStG ermittelt werden kann, wenn bei einer kreditgebundenen Anleihe die hierdurch gesicherten Zahlungsverpflichtungen notleidend werden und die Anleihe deshalb vorzeitig zum Kurswert eingelöst wird.
Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Im Jahr 1997 erwarben sie Gleitzins-Schuldverschreibungen des Emittenten „S.” (…) mit einem Nominalwert von … DM. Diese Anleihen zeichneten sie – wie in der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen – unmittelbar bei der X. zum Emissionskurs von 101 %. Nach dem zugrundeliegenden Emissionsprospekt vom … waren die mit Endfälligkeit zum Jahr 2015 begebenen Schuldverschreibungen ab dem 19.3.1997 bis zum aber nicht einschließlich des spätestens zum 30.12.1997 vorgesehenen Abschlusstermins für die Anlage des Emissionserlöses (durch „neustrukturierte Darlehen”) mit 3 % p.a., danach und bis zum aber nicht einschließlich des 19.03.2001 mit 14 % p.a. und danach mit 10 % p.a. zu verzinsen. Der Kapitalbetrag sollte in elf jährlichen Raten jeweils zum 19.03. ab dem Jahr 2005 zurückgezahlt werden. Für den Fall der Beendigung des zwischen dem Emittenten und der C. – Zweigstelle … – bestehenden Devisenhandelsgeschäfts (Swap-Vertrag) aus näher bestimmten Gründen sah der Emissionsprospekt die vorzeitige Einlösung der Schuldverschreibungen zu einem von dem Wert der hierfür bestellten Sicherheiten abhängigen Kurs vor.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr wiesen die Kläger in der Anlage „Ausländische Einkünfte” einen nicht ausgleichsfähigen Verlust aus dem Staat M. in Höhe von … DM aus, der auf der vorzeitigen Einlösung der streitbefangenen Gleitzins-Schuldverschreibung mit einem anteiligen Kurswert von 4,0243 %, dies entspricht 15.694 DM, zum … beruhte. Die auf diese Anleihe entfallenden Zinseinnahmen deklarierten die Kläger in Höhe von … DM.
In dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom … berücksichtigte der Beklagte den geltend gemachten Kapitalverlust nicht, da es sich nach seiner Auffassung hierbei um einen Vorgang der privaten Vermögensebene handelte.
Mit Schreiben vom … beantragten die Kläger, die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr dahingehend zu ändern, dass der Verlust des Anleihekapitals in Höhe von … DM einkünftemindernd abgezogen wird. Zur Begründung trugen sie vor, die Anleihe weise die Merkmale einer Finanzinnovation auf, wie sie in § 20 Abs. 1 Nr. 7 bzw. § 20 Abs. 2 Nr. 4 d EStG definiert sei. Bei derartigen Kapitalanlagen unterliege der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung als Kapitalertrag der Einkommensteuer. Der im Streitfall hieraus resultierende Verlust sei demgemäß zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom … lehnte der Beklagte die Berücksichtigung des Kapitalverlustes bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ab. Zur Begründung wies er darauf hin, dass die Einkunftsermittlung nach der sog. Marktrendite ausscheiden müsse, wenn ein Kursverlust wegen Zahlungsunfähigkeit des Anleiheschuldners eindeutig auf der Vermögensebene liege. In diesem Fall müsse eine einschränkende Auslegung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG auf solche Fälle erfolgen, in denen die bei Ausgabe der Kapitalanlage zugrunde gelegten Vertragsbedingungen eingehalten und die Papiere auch tatsächlich zum Ende der Laufzeit eingelöst würden. Nur in diesen Fällen könne ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen zwischen Emissionsrendite und Marktrendite bestehen.
Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch machten die Kläger geltend, dass der Grund für die Veräußerung, Abtretung oder Einlösung einer Kapitalanlage nach dem Gesetzeswortlaut unerheblich sei. Weiterhin sei im Streitfall nicht der Emittent der Anleihe zahlungsunfähig geworden. Dieser habe vielmehr seine Einlösungsverpflichtung vertragsgemäß erfüllt. Die Anleihe sei Teil einer Finanzkonstruktion gewesen, in deren Rahmen die C. Schuldverschreibungen von der W. gekauft und sich ihrerseits durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen durch den Emittenten S. abgesichert habe. Die Zins- und Kapitalrückzahlung durch den Emittenten S. sei an...