Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungsentschädigung nach Darlehenswiderruf als steuerpflichtige Einkünfte
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein nach Widerruf der dem Kreditverhältnis zu Grunde liegenden Willenserklärung des Darlehensnehmers und Wandelung des Darlehensvertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis von der Bank geleisteter Ersatz für Nutzungsvorteile aus laufenden Zins- und Tilgungszahlungen unterliegt der Einkommensteuer (Anschluss an Hessisches FG vom 06.11.2018, 12 K 1328/17; FG Köln vom 14.08.2019, 14 K 719/19, EFG 2020, 101).
2. Auch Entgelte für die unfreiwillige oder gar erzwungene Kapitalüberlassung sind als Kapitalerträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig. Unerheblich ist, ob ein Entgelt für die Nutzung der Kapitalforderung vereinbart wurde. Es kommt zudem insoweit nur auf den objektiven Tatbestand einer Steigerung der Leistungsfähigkeit an, sodass eine diesbezügliche Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen nicht erforderlich ist.
3. Bei einem dem Steuerpflichtigen zugewandten Vergleichsbetrag hat eine Aufteilung des Vergleichsbetrags in eine nichtsteuerbare (Rück-)Erstattung erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen einerseits und einen steuerpflichtigen Ersatz für die aus den erlangten Zins- und Tilgungsleistungen gezogene Nutzungen andererseits zu erfolgen.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 9 S. 1, § 32d Abs. 1 S. 1; BGB § 346 Abs. 1-2, § 357 Abs. 1; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Steuerpflicht einer Vergleichszahlung im Streitjahr 2018 im Anschluss an den Widerruf eines Darlehensverhältnisses durch die Klägerin.
Die Klägerin hatte im Jahr 2005 einen Darlehensvertrag (Nr. 1) mit der Rechtsvorgängerin der A Bank (B Bank) über 137.000 € zur Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie abgeschlossen. Die Auszahlung des Darlehens erfolgte am 17.01.2006, die Darlehenslaufzeit war bis zum 30.11.2018 angelegt bei einem effektiven Jahreszins von 4,0 % p.a. Die von der Klägerin monatlich zu leistenden Annuitäten beliefen sich auf 1.133,68 €.
Im Jahr 2016 widerrief die Klägerin ihre Willenserklärung zum Abschluss des Darlehensvertrags gegenüber der A Bank, weil die Widerrufsbelehrung seitens der A Bank nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe. Zusätzlich kündigte die Klägerin zum 31.08.2016 das Restdarlehen unter Rückzahlung der noch bestehenden Valuta i.H.v. 30.173,68 € zuzüglich der Löschungskosten i.H.v. weiteren 95,20 €; die Annuitäten für die Monate Juli und August 2016 i.H.v. jeweils 1.133,68 € wurden seitens der A Bank noch eingezogen.
Da die A Bank den Widerruf nicht akzeptierte (Schriftsatz A Bank vom 20.06.2016), erhob die Klägerin mit Klageschrift vom 27.06.2017 (RBSt-Akte, allerdings ohne die in der Klage in Bezug genommenen Anlagen) Klage beim LG C wegen „Rückabwicklung des Darlehensvertrags aufgrund Widerrufs”, mit der sie die Zahlung eines Betrags i.H.v. 37.354,59 € beantragte. Zur Berechnung des Zahlungsanspruchs ist in der Klageschrift unter Tz. 3 ausgeführt: Unter Beachtung der Entscheidung des BGH vom 12.01.2016 – XI ZR 366/15 habe die A Bank gegenüber der Klägerin den Anspruch auf Rückzahlung der Nettodarlehenssumme i.H.v. 137.000 € sowie zusätzlich einen Anspruch aufWertersatz am jeweils noch überlassenen Teil des Darlehens in Höhe des marktüblichen Zinssatzes, der sich zum Zeitpunkt des Widerrufs auf 36.939,59 € belaufen habe, sodass sich ein Zahlungsanspruch der A Bank i.H.v. 173.939,59 € ergebe (Hinweis auf die der Zivilklage als Anl. K7 beigefügte Zahlungsaufstellung). Demgegenüber habe die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung aller Zins- und Tilgungsleistungen, die sich bis zum Widerrufszeitpunkt auf 141.710 € beliefen (Hinweis auf die der Zivilklage als Anl. K5 beigefügte Zahlungsaufstellung).
Überdies stehe der Klägerin nach der Rechtsprechung des BGH ein Nutzungsersatzanspruch für alle bis zum Widerrufszeitpunkt geleisteten Zahlungen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz zu, sodass sich ein Nutzungsersatzanspruch i.H.v. 37.047,95 € ergebe. Aus alledem ergab sich die folgende Berechnung für den von der Klägerin eingeklagten Zahlungsanspruch i.H.v. insgesamt 37.354,59 €:
Ansprüche Klägerin: |
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Zins- und Tilgungsleistungen |
141.710,00 € |
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Ablösung Restdarlehen |
30.173,68 € |
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Löschungskosten |
95,20 € |
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Abbuchung Juli 2016 |
1.133,68 € |
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Abbuchung August 2016 |
1.133,68 € |
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Summe Leistungen Klägerin |
174.246,24 € |
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zzgl. Nutzungsersatz Klägerin |
37.047,95 € |
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Gesamtforderung Klägerin |
211.294,19 € |
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Ansprüche A Bank |
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Nettodarlehenssumme |
137.000,00 € |
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Nutzungsersatz A Bank |
36.939,59 € |
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Forderung A Bank |
173.939,59 € |
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Verrechnung gem. BGH |
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Forderung Klägerin |
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211.294,19 € |
Forderung A Bank |
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173.939,59 € |
Klagebetrag danach |
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37.354,60 € |
Der Bitte des Gerichts um Übersendung der in der Klageschrift in Bezug genommenen Anlagen/Zahlungsaufstellungen kamen allerdings weder der Bevollmächtigte noch die Klägerin selbst nach. Vor dem Hintergrund der sich nach obiger Berechnung gege...