rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsgrundlage einer Ausschlussfrist zur Vorlage von Steuererklärungen im Veranlagungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1) Ist noch keine Steuererklärung gefertigt, kann der Einspruchsführer nach § 364 b Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 und nicht nach § 364 b Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 unter Fristsetzung zur Vorlage aufgefordert werden.
2) Die Fortwirkung einer Fristsetzung nach § 364 b AO 1977 gilt auch nach der Neufassung des § 172 Abs. 1 S. 3 2. Hs. nur für das finanzamtliche Verfahren. Für das finanzgerichtliche Verfahren gilt dagegen weiterhin § 76 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 79 b Abs. 3 FGO.
3) § 137 S. 3 FGO ist dahingehend auszulegen, dass den Kläger nur dann die (volle) Kostentragungspflicht trifft, wenn dem Beklagten keine Pflichtverletzung hinsichtlich der Nichtveranlagung im Klageverfahren zur Last gelegt werden kann.
Normenkette
AO 1977 § 364 b Abs. 1 Nrn. 1, 3; FGO § 76 Abs. 3, § 79 b Abs. 3, § 137 S. 3; AO 1977 § 364 b Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Änderung der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide 2000, nachdem die Klägerin eine Frist nach § 364 b AO nicht eingehalten hatte.
Die Klägerin war im Streitjahr als Maskenbildnerin selbständig tätig. Wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen erließ der Beklagte am 16.11.2001 einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheid und setzte die Einkommensteuer auf …,00 DM und die Umsatzsteuer auf ….00 DM fest. Dabei legte er für Zwecke der Einkommensteuer Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von …,00 DM und Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit in Höhe von …,00 DM der Besteuerung zugrunde. Ferner unterwarf der Beklagte Umsätze in Höhe von ….00 DM der Umsatzsteuer und brachte Vorsteuerbeträge in Höhe von …,80 DM zum Abzug.
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 14.12.2001 Einsprüche ein und kündigte zur Begründung die Abgabe der Steuererklärungen an. Sie kam jedoch der Aufforderungen des Beklagten vom 18.12.2002, die Erklärungen einzureichen, nicht nach. Mit Schreiben vom 31.01.2002 forderte der Beklagte die Klägerin unter Setzen einer Ausschlussfrist zum 28.02.2002 gem. § 364 b Abs. 1 Nr. 1 AO auf, die Steuererklärungen einzureichen bzw. die Tatsachen vorzutragen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung sie sich beschwert fühle. Dabei wies der Beklagte auf die Rechtsfolgen der Fristsetzung hin.
Die Klägerin ließ auch diese Frist verstreichen, ohne die Steuererklärungen einzureichen. Hierauf wies der Beklagte die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 12.03.2002 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 15.04.2002 Klage erhoben und mit Schriftsatz vom 25.06.2002 die Steuererklärungen eingereicht, die dem Beklagten zur Stellungnahme übersandt worden sind. Sie ist der Auffassung, die Fristsetzung gem. § 364 b AO sei nicht wirksam, weil der Beklagte fälschlicherweise gem. § 364 b Abs. 1 Nr. 1 AO und nicht
wie es nach ihrer Auffassung richtig gewesen wäre – gem. § 364 Abs. 1 Nr. 3 AO zur Abgabe der Steuererklärung (eines Beweismittels) aufgefordert habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12.03.2002 die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide 2000 vom 16.11.2001 dahingehend zu ändern, dass die Steuern wie erklärt festgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er vertritt die Auffassung, ihm sei es gem. § 364 b Abs. 2 AO i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 2 2. HS AO verwehrt, die angefochtenen Steuerfestsetzungen nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO zu ändern. In den Fällen, in denen der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen sei und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden seien, bestehe eine Entscheidungspflicht des Gerichts.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Fristsetzung zur Abgabe der Steuererklärung nach § 364 b Abs. 1 Nr. 1 AO wirksam erfolgt.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18.07.2002 eine Berücksichtigung der Steuererklärungen wegen Nichteinhaltung der Frist nach § 364 b AO abgelehnt, obwohl nach seiner Auffassung keine materiell-rechtlichen Bedenken gegen die erklärten Besteuerungsgrundlagen bestehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Einkommensteuer und Umsatzsteuer für das Streitjahr sind entsprechend den im Klageverfahren eingereichten Erklärungen antragsgemäß zu veranlagen.
1. Die Fristsetzung erfolgte rechtmäßig nach § 364 b Abs. 1 Nr. 1 AO. Entgegen der Auffassung der Klägerin musste die Fristsetzung nicht auf § 364 b Abs. 1 Nr. 3 AO zur Abgabe einer Urkunde (Steuererklärung) beruhen. Von dem Vorhandensein einer Urkunde kann erst dann ausgegangen werden, wenn die Steuererklärung gefertigt ist. Wird sie der Behörde dann vorenthalten, kann der Steuerpflichtige zu ihrer
Vorlage unter Fristsetzung gem. § 364 b Abs. 1 Nr. 3 AO aufgefordert werden. Ist – wie im Streitfall – noch keine Steuererklärung gefertigt, kann der Einspruchsführer nicht nach § 364 b...