Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldberechtigung eines sowohl in Deutschland als auch den Niederlanden beschäftigten, in Deutschland wohnenden Elternteils
Leitsatz (redaktionell)
1) War der Elternteil, der für seine Kinder Kindergeld beansprucht, in den Niederlanden sozialversicherungspflichtig, in Deutschland jedoch sozialversicherungsfrei in einem "400-Job" beschäftigt (Wanderarbeitnehmer), so war 2004 bis 2007 grundsätzlich gem. Art. 13 Abs. 2 Buchst. a VO 1408/71 ein Kindergeldanspruch in Deutschland ausgeschlossen.
2) Wird der Ausschluss des deutschen Kindergelds allein durch die Aufnahme einer weiteren Beschäftigung in den Niederlanden bewirkt, so ist entsprechend der Bosmann-Entscheidung des EuGH (EuGH v. 20.5.2008 - C-352/06, DStRE 2009, 1251) die Ausschlussnorm des Art. 13 Abs. 2 Buchst. a VO 1408/71 nicht anzuwenden. Dies führt dazu, dass während der Beschäftigung in den Niederlanden der deutsche Kindergeldanspruch nur insoweit ruht, als in den Niederlanden eine dem Kindergeld vergleichbare Leistung gewährt wird. Im Streitfall besteht der deutsche Kindergeldanspruch fort, weil der Elternteil in den Niederlanden keine dem Kindergeld vergleichbare Leistung bezogen hat.
Normenkette
EStG § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 64 Abs. 2 S. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3; VO EWG Nr. 1408/71 Art. 13 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Nr. 2 Buchst. b, i), Nr. 574/72 Art. 10 Abs. 1 Buchst. a; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar 2004 bis März 2007 für die drei Kinder der Klägerin A (geboren am … 1991), B (geboren am … 1993) und C (geboren am … 1997) in Gesamthöhe von 18.018 EUR.
Die Klägerin war verheiratet mit dem – inzwischen verstorbenen – Herrn D; aus der Ehe sind die vorgenannten drei Kinder hervorgegangen. Im August 2005 trennten sich die Eheleute. Für die Kinder bezog die Klägerin von der Familienkasse E fortlaufend das Kindergeld in gesetzlicher Höhe.
Anlässlich des Antrags der Klägerin auf Gewährung des Kinderzuschlags für ihre Kinder aus Januar 2007 legte sie eine Verdienstbescheinigung der F aus G/NL vom 2. Februar 2007 vor, ausweislich derer sie dort seit dem …11.2003 beschäftigt ist und ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.000 EUR beziehe, von dem Steuern und Sozialbeiträge (Arbeitnehmeranteil) in Höhe von 241 EUR abgezogen würden. Hinzu komme ein jährliches Weihnachts- und Urlaubsgeld in Höhe von 1.022 EUR, von dem Steuern und Sozialbeiträge (Arbeitnehmeranteil) in Höhe von 263 EUR abgezogen würden. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt der Bescheinigung Bezug genommen.
Im März 2007 teilte die Familienkasse E der Beklagten mit, die Klägerin sei in deren Zuständigkeitsbereich verzogen. Die Kindergeldzahlungen seien mit Ablauf des Monats März 2007 eingestellt worden.
Mit Schreiben vom 26. März 2007 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer möglichen Kindergeldrückforderung in Höhe von 18.480 EUR an und machte hierzu geltend, nach den vorliegenden Unterlagen übe die Klägerin seit dem … 11.2003 in den Niederlanden eine Beschäftigung aus. Die Klägerin unterliege somit seit Dezember 2003 nur den niederländischen Vorschriften in Bezug auf das Kindergeld. Falls der Kindesvater in Deutschland eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausübe, bestehe bei ihm der vorrangige Anspruch auf Kindergeld, da das Wohnland der Kinder Deutschland sei. Ein Kindergeldantrag für den Kindesvater sei beigefügt. Bei dessen Einverständnis könne die Überzahlung verrechnet werden.
Mit Schreiben vom 23. April 2007 entgegnete die Klägerin hierauf, eine Erstattungspflicht bestehe nicht, weil sie in dem angegebenen Zeitraum zwar in den Niederlanden gearbeitet, sie aber – wie die Kinder – in Deutschland stets ihren Wohnsitz beibehalten habe. In und aus den Niederlanden habe sie für den fraglichen Zeitraum kein Kindergeld erhalten. Auch habe der Kindesvater trotz entsprechender Verpflichtung seit der Trennung keinerlei Unterhalt gezahlt.
Mit Bescheid vom 13. Juni 2007 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für die drei Kinder der Klägerin für den Zeitraum Dezember 2003 bis März 2007 auf und forderte das gezahlte Kindergeld in Gesamthöhe von 18.480 EUR zurück. Zur Begründung führte sie aus, weil die Klägerin außerhalb Deutschlands erwerbstätig sei, sei das Kindergeld dort zu beantragen (Artikel 13 ff. der Verordnung EWG 1408/71 – folgend nur: VO 1408/71).
Hiergegen legte die Klägerin am 25. Juni 2007 Einspruch ein und machte im Zuge des Einspruchsverfahrens geltend, sie sei im fraglichen Zeitraum nicht lediglich in den Niederlanden tätig gewesen, sondern auch in Deutschland. In der Zeit vom … Januar 2003 bis … September 2004 sei sie im Friseursalon H in I tätig gewesen. Danach sei sie ab dem … September 2004 bis zum … Juni 2006 bei der K-Schule im Kreis J tätig gewesen. Darüber hinaus habe sie zwar seit dem 24. November 2003 bis „heute” (Schreiben vom 26. Juni 2007) in den Niederlanden gearbeitet, allerdings mit einem Vertrag, der...