Entscheidungsstichwort (Thema)
Marktübliche, unter den tatsächlichen Kosten des Vermieters liegende Miete als umsatzsteuerpflichtige Bemessungsgrundlage für die umsatzsteuerpflichtige Vermietung an eine nahestehende Person im zeitlichen Anwendungsbereich der 6. EG-Richtlinie
Leitsatz (redaktionell)
1. Stellt sich bei einer umsatzsteuerpflichtigen Vermietung gewerblicher Räume an eine dem Vermieter nahestehende Person nach einer Außenprüfung heraus, dass das tatsächlich entrichtete (vereinbarte) Entgelt nicht dem marküblichen Entgelt entspricht und dass die marktübliche Miete jedoch der Höhe nach unter der Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG liegt, so ist bei der Umsatzsteuer des Vermieters im zeitlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 77/388/EWG (hier: Streitjahr 2004) auf die marktübliche Miete und nicht auf die tatsächlich höheren eigenen Kosten des Vermieters als Bemessungsgrundlage abzustellen (Ausführungen zur Ermittlung der marktüblichen Miete bei Vermietung eines Cafes).
2. Eine Regelung, nach der bei einem Umsatz zwischen nahestehenden Personen die entstandenen Kosten die Besteuerungsgrundlage auch dann bilden, wenn das vereinbarte Entgelt dem marktüblichen Entgelt entspricht, aber offensichtlich niedriger ist als diese Kosten, beschränkt sich nicht auf die Einführung der Maßnahmen, die unbedingt erforderlich sind, um die Gefahr einer Steuerhinterziehung oder -umgehung zu verhüten, und ist demnach durch Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG nicht gedeckt. Dies ist im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung bei der Anwendung des § 10 Abs. 5 UStG zu berücksichtigen.
Normenkette
UStG 2004 § 10 Abs. 5 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2, Abs. 1 S. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1; EWGRL 388/77 Art. 27
Tenor
Abweichend von dem Bescheid für 2004 über Umsatzsteuer vom 07. Juli 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. April 2010 sind die „Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 16 %” nur mit …,… EUR zu bemessen; die Umsatzsteuer für 2004 ist entsprechend herabzusetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 72 % und der Beklagte zu 28 %.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin jedoch durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf …, EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Umsatzsteuer.
Die Klägerin ist eine Grundstücksgemeinschaft, bestehend aus den Eheleuten E. Sie erwarben im Jahre 2001 ein mit einem denkmalgeschütztem Gebäude bebautes Grundstück in X. Das Hauptgebäude wurde von ihnen in den folgenden Jahren restauriert und mit einem Cafe im Erdgeschoss und einer Wohnung im Dachgeschoss ausgebaut. Ein Nebengebäude wurde teilweise für Zwecke des Cafes (Aufenthaltsraum, Lager und Kühlung), teilweise als Nebenraum für die Wohnung im Dachgeschoss des Hauptgebäudes hergerichtet.
Mit Schreiben vom 21. Juli 2003 teilte ihre steuerliche Beraterin dem Beklagten mit, dass in dem Gebäude eine gastronomische Einrichtung mit einer Einliegerwohnung für deren Pächter entstehe. Mit der Verpachtung der den gewerblichen Zwecken des Pächters dienenden Räume würden steuerpflichtige Umsätze anfallen. Die Fläche der gewerblichen Räume wurde in diesem Schreiben mit 78,78 qm im Haupt- und 41,11 qm im Nebengebäude angegeben.
Ab dem 01. Dezember 2004 vermieteten die Eheleute E die im Erdgeschoss des Hauptgebäudes befindlichen Gaststättenräume, die dazugehörigen Räume im Nebengebäude und die Gartenanlagen des Grundstücks zum Betrieb eines Cafes an ihren Sohn. § 4 Ziffer 1 des Mietvertrages sieht vor, dass die Miete nach dem zu versteuernden Gewinn berechnet wird und davon 10 % zuzüglich der zum Zeitpunkt der Fälligkeit geltenden gesetzlichen Mehrwertsteuer beträgt. Die Miete wird in monatlichen Abschlagszahlungen entrichtet und beträgt 75 % der Vorjahresmiete. Zusammen mit der Jahressteuererklärung wird die Miete berechnet und es erfolgt der Ausgleich innerhalb von drei Monaten nach Abgabe der Steuererklärung beim zuständigen Finanzamt. Im ersten Jahr der Vermietung – Jahr 2005 – wird die Miete auf monatlich …,… EUR zuzüglich Mehrwertsteuer geschätzt, der Ausgleich erfolgt mit der zum Jahr 2005 erstellten Steuererklärung entsprechend. Der letzte Satz ist unter dem 11. Februar 2005 dahingehend geändert worden, dass das Wort „Miete” gestrichen und durch das Wort „Mindestmiete” ersetzt worden ist (Bl. 34 der Betriebsprüfungsakten). Gemäß § 4 Ziffer 2 des Mietvertrages trägt der Mieter sämtliche Betriebskosten im Sinne der Anlage 3 zu § 27 der Berechnungsverordnung. In einer Zusatzvereinbarung zu dem Mietvertrag vereinbarten die Eheleute E mit ihrem Sohn, dass sie ihm die „Einrichtungsgegenstände gemäß Inventarliste” zur Nutzung zur Verfügung ...