Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung von Umsätzen eines Bordellbetriebs. Leistung und Entgelt eines Bordellbetreibers im umsatzsteuerlichen Sinne. Aussetzung der Vollziehung in Sachen Haftung für Umsatzsteuer 1994 – 1998

 

Leitsatz (amtlich)

Die Umsätze eines Bordellbetriebes sind, auch soweit sie nicht höchstpersönlich, sondern durch Arbeitnehmer oder Subunternehmer erbracht werden, demjenigen zuzurechnen, der sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an die Besucher ausführt. Deshalb ist der sog. Dirnenlohn auch kein durchlaufender Posten i. S. vor § 10 Abs. 1 Satz 5 UStG.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Betreiberin von mehreren Bordellbetrieben, die gegenüber ihren Kunden und Geschäftspartnern als Inhaberin und Betreiberin des jeweiligen Clubs aufgetreten ist, umsatzsteuerlich auch die von den Dirnen erzielten Umsätze zuzurechnen sind, wenn sie die erforderlichen Räumlichkeiten samt Ausstattung (Kontaktraum, Bar, Sauna, Toiletten, Einzelzimmer) zur Verfügung gestellt, für einen reibungslosen Ablauf (Türsteher, Öffnungszeiten, Kreditkartenabrechnung der Kunden) gesorgt, die Werbung unter dem jeweiligen Namen des Clubs veranlasst und das erforderliche Personal einschließlich der in den Clubräumen tätigen Prostituierten organisiert hat.

2. Ihre Leistung im umsatzsteuerliche Sinne beschränkt sich in diesem Fall nicht auf die bloße Zur-Verfügung-Stellung von Getränken und Zimmern, sondern besteht auch darin, dass den Kunden in ihren Räumen mit Hilfe der dort tätigen Prostituierten die Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr usw. verschafft wird.

3. Umsatzsteuerliches Bemessungsgrundlage ist folglich das Entgelt, das der einzelne Besucher für seinen Clubbesuch aufgewendet hat, einschließlich des sog. Dirnenlohns, unabhängig davon, ob die Prostituierten in einem Arbeitsverhältnis zur Clubbetreiberin stehen oder ob sie ihre Dienste als Subunternehmer für die Clubbetreiberin erbringen.

 

Normenkette

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 69 Abs. 3, 2; UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 13 Abs. 2, § 10 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 39; UStG § 10 Abs. 1

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

 

Gründe

I.

Streitig ist im Einspruchsverfahren der Umfang der Umsätze der Antragstellerin im Zusammenhang mit mehreren bordellartigen Betrieben.

Die Antragstellerin war in den Streitjahren 1994 bis 1998 Pächterin der Räumlichkeiten der Clubs … … in denen von Prostituierten Dienste angeboten wurden und die im wesentlichen mit einer Bar, einem Kontakt- und Saunabereich sowie auf mehreren Etagen mit unterschiedlich ausgestatteten Zimmern versehen waren.

Der Antragsgegner (das Finanzamt) setzte unter Bezugnahme auf eine bei der Antragstellerin durchgeführte Prüfung jeweils mit Steueränderungsbescheiden vom 23. Dezember 1999 die Umsatzsteuer für 1994 auf … DM, für 1995 auf … DM, für 1996 auf … M, für 1997 auf … DM und mit weiterem Steuerbescheid vom 23. Dezember 1999 die Umsatzsteuer 1998 auf … DM fest. Dabei bezog das Finanzamt abweichend von den Steuererklärungen der Antragstellerin alle Zahlungen, die die Kunden der Clubs für ihren jeweiligen Besuch aufwendeten, insbesondere auch den sog. Dirnenlohn, in vollem Umfang in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer mit ein.

Die Antragstellerin beantragt nach erfolglosem Aussetzungsantrag gegenüber dem Finanzamt nunmehr gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sinngemäß, die Aussetzung und, soweit Vollstreckung bereits stattgefunden hat, die Aufhebung der Vollziehung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide vom 23. Dezember 1999 in Höhe von … DM für 1994, in Höhe von … DM für 1995, in Höhe von … DM für 1996, in Höhe von … DM für 1997 und in Höhe von … DM für 1998.

Dazu trägt die Antragstellerin im wesentlichen vor, daß sie in den Streitjahren im Zusammenhang mit den genannten Pachtobjekten lediglich gewerbliche Zimmervermietung und eine Bar, jedoch kein Bordell, betrieben habe. Die Zimmer seien an die Prostituierten zur alleinigen Nutzung vermietet worden. Die eigene unternehmerische Leistung der Prostituierten sei kein Teil ihres Leistungsspektrums gewesen. Daher bestehe hinsichtlich der Dirnenleistungen keine umsatzsteuerliche Leistung zwischen den Gästen und ihr. Der Dirnenlohn gehöre daher nicht zu ihrem Entgelt. Soweit die Gäste den Dirnenlohn per Kreditkarte an der Bar bezahlt hätten, handle es sich um durchlaufende Posten.

Zudem sei die Vollziehung auch deshalb auszusetzen, da die Vollstreckung eine unbillige Härte zur Folge hätte. Sämtliche Geschäfts- und Privatkonten seien gepfändet worden, ohne ihr ein Existenzminimum zu belassen. Sie verfüge über keine finanziellen Mittel, um ihre Geschäftstätigkeit weiter zu betreiben. Aufgrund der Vollstreckungsmaßnahmen habe sie Sozialhilfe beantragt, die auch bewilligt worden sei.

Das Finanzamt beantragt, den Antrag abzulehnen.

Wegen des Sachverhalts im einzelnen und dem weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Akten und die eingereichten Schriftsätze Bezug...

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