rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Verhältnis von AdV und eAo beim Antrag auf Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO
Leitsatz (redaktionell)
§ 114 FGO ist trotz des generellen Vorrangs des Antrags auf AdV bei Pfändungsmaßnahmen anwendbar, wenn sich das Begehren des Antragstellers auf die einstweiige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 258 AO richtet.
Normenkette
FGO § 114; AO § 258
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin (Ast.) beantragte eine einstweilige Verfügung nach § 935 der Zivilprozessordnung (ZPO) beim Amtsgericht M, um sich gegen die angedrohte Vollstreckung von Steuerrückständen aus Einkommensteuer 2010 nebst zugehörigen Nebenleistungen im Rahmen von Massnahmen des Vollziehungsbeamten des Finanzamts M (Ag.) zur Wehr zu setzen. Sie habe dem Vollziehungsbeamten des Ag. die Zahlung der Einkommensteuer 2010 mit steuerlichen Nebenleistungen verweigert und wolle verhindern, dass eine Sachpfändung in ihrer Wohnung mit Zwangsmitteln durchgesetzt werde. Die Einkommensteuer 2010 sei geschätzt worden, obwohl sie hierfür Unterlagen abgegeben habe. Diese müssten im Amt „verschlampert” worden sein. Zudem stehe ihr wegen eines Grades der Behinderung von 70% ein Steuerfreibetrag zu, der dreimal so hoch wie die geschätzte Steuer, aber vom Ag. nicht berücksichtigt worden sei. Zudem verfüge sie nur über ein Einkommen in Höhe der allgemeinen Grundsicherung, nachdem ihre Geschäftstätigkeit im November 2012 in der Zahlungsunfähigkeit geendet habe. Die Drohung des Ag., bei Nichtzahlung ihre Wohnung öffnen und dort nach Wertsachen suchen zu lassen, erfülle u.a. die Tatbestände der Nötigung und Erpressung.
Das Amtsgericht M hat die Streitsache mit Beschluss vom 11. Juni 2013 wegen sachlicher Unzuständigkeit an das Finanzgericht München verwiesen.
Die Ast. beantragt (sinngemäß)
den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die angedrohte Vollstreckung (Pfändung) bis zur Klärung der tatsächlichen Anspruchsverhältnisse.
Der Ag. beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Gegen bereits erfolgte Pfändungsmassnahmen sei nach § 114 Abs. 5 FGO nur einstweiliger Rechtsschutz durch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 2 bzw. Abs. 3 FGO möglich. Zur Verhinderung künftiger Vollstreckungsmassnahmen fehle es sowohl an einem Anordnungsgrund als auch an einem Anordnungsanspruch im Sinne des § 114 FGO. Es lägen weder die Voraussetzungen des Vollstreckungsaufschubs nach § 258 der Abgabenordnung (AO) vor, noch sei in Anbetracht der relativ geringen Steuerrückstände eine Bedrohung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz der Ast. glaubhaft gemacht worden. Die Zahlungsaufforderung des Vollziehungsbeamten habe sich auf Einkommensteuer 2010 und Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 370 Euro bezogen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Akten und Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Senat legt den Antrag dahingehend aus, dass die Ast. nunmehr statt der einstweiligen Verfügung nach § 935 ZPO den Erlass einer einstweilige Anordnung nach § 114 FGO begehrt. Der Antrag kann keinen Erfolg haben.
Der Senat schließt sich in seiner Entscheidung zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen weitestgehend den Ausführungen des Ag. im Schriftsatz vom 9. Juli 2013 an. Nach ständiger Rechtsprechung ist § 114 FGO trotz des generellen Vorrangs des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung bei Pfändungsmassnahmen anwendbar, wenn sich das Begehren der Ast. auf die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 258 AO richtet (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 114 Rn. 20). Eine Regelungsanordnung nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO setzt voraus, dass die Ast. eine Rechtsposition innehat, die eine einstweilige Massnahme rechtfertigt (Anordnungsanspruch), und dass derartige Massnahmen außerdem zur Abwehr wesentlicher Nachteile für die Ast. oder aus anderen Gründen nötig erscheinen (Anordnungsgrund). Zudem sind sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen, § 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 und § 294 ZPO.
Ein Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 258 AO im vorliegenden Fall jedoch nicht. Nach dieser Vorschrift ist die Vollstreckung einstweilen einzustellen oder zu beschränken oder sind bereits ausgebrachte Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben, wenn aus Billigkeitsgründen ein kurzfristiges Zuwarten von maximal sechs bis zwölf Monaten geboten erscheint. Gründe für eine derartige Unbilligkeit hat die Ast. aber nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht. Vielmehr hat sie eine freiwillige Zahlung rundweg abgelehnt und Einwendungen gegen die Festsetzung der Einkommensteuer 2010 vorgebracht, indem sie vorgetragen hat, sie habe keine Gewinne erzielt, weshalb die vorgenommene Schätzung unzutreffend sei, und es sei auch der Behindertenpauschbetrag nicht berücksichtigt worden. Diese Einwendungen sind jedoch außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit dem gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2...