Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslandsvolontariat einer Erzieherin als kindergeldrechtliche "Berufsausbildung"
Leitsatz (redaktionell)
1. War die zur Erzieherin ausgebildete volljährige Tochter in diesem Beruf nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung im Inland bereits berufstätig, so kann ein anschließend gegen freie Kost und Unterkunft sowie ein Taschengeld von 120 DM aufgenommenes Volontariat an einer Behinderteneinrichtung in Neuseeeland eine (weitere) "Berufsausbildung" im kindergeldrechtlichen Sinne darstellen.
2. Unabhängig davon, dass die Mindestanforderungen für die Ausübung des gewählten Berufs bereits erfüllt sind, kann es sich auch bei einer darüber hinaus durchgeführten Zusatzausbildung -ohne zusätzlichen Ausbildungsabschluss- um eine Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs.4 Satz 1 Nr.2a EStG handeln. Insoweit ist unbeachtlich, ob die Zusatzausbildung vor oder erst nach Ablegung der für den jeweiligen Beruf ausbildungsrechtlich vorgesehenen Abschlussprüfungen erfolgt (vgl. Rechtsprechung zum kindergeldrechtlichen Begriff der "Berufsausbildung").
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 63 Abs. 1 S. 2
Gründe
I.
Die Tochter des Klägers (geb. am …5.1975) ist Erzieherin. Die Ausbildung, die auch den Umgang mit behinderten Kindern umfasst, war im Jahr 1998 bereits abgeschlossen. Die Tochter war als Erzieherin berufstätig, Kindergeldzahlungen erfolgten nicht mehr.
Für den Zeitraum Oktober 1998 bis Juli 1999 gab die Tochter ihre Arbeit auf und reiste nach Neuseeland. Dort absolvierte sie ein Volontariat an der ….
Dabei handelte es sich um eine therapeutische Einrichtung für Erwachsene mit geistigen Behinderungen und Verhaltensauffälligkeiten. Zu den Einzelheiten der Volontärtätigkeiten der Tochter wird auf die Bestätigung der Behinderteneinrichtung vom Juli 1999 verwiesen. Die Tochter erhielt Kost und Logis sowie ein Taschengeld von umgerechnet etwa 120 DM.
Der Kläger trägt vor, seine Tochter habe einen Arbeitsplatz in der Behinderteneinrichtung in A. angestrebt. Deshalb sei es zweckmäßig gewesen, zusätzliche Kenntnisse im Umgang mit Behinderten zu erwerben. Mittlerweile ist die Tochter auch als Erzieherin in A. tätig.
Mit Bescheid vom 14.2.2000 und Einspruchsentscheidung vom 1.6.2000 lehnte das beklagte Arbeitsamt (die Familienkasse) den Antrag auf Kindergeld für den Zeitraum der Volontärtätigkeit in Neuseeland ab. Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger beruft sich auf die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der die Vorstellungen der Eltern und des Kindes dafür ausschlaggebend seien, welche Maßnahmen als Ausbildung geeignet seien. Danach sei es der Tochter zuzubilligen, sich im Umgang mit Behinderten im Ausland auszubilden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
für den Zeitraum Oktober 1998 bis Juli 1999 Kindergeld zu gewähren.
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung macht die Familienkasse geltend, auch unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des BFH liege keine Ausbildung vor. Die Ausbildung der Tochter als Erzieherin sei abgeschlossen gewesen. Einen neuen Ausbildungsabschluss habe die Tochter nicht angestrebt und auch nicht erworben. In Abgrenzung zu einem Arbeitsverhältnis müsse ein Ausbildungsverhältnis planmäßig ausgestaltet und an einem bestimmten Ausbildungsziel orientiert sein. An einem Ausbildungsplan fehle es im Streitfall, die Tochter habe ihr Ausbildungsziel bereits zuvor erreicht. Auch entspräche die Höhe des Arbeitslohns bei Gewährung von „Taschengeld” nicht einer Ausbildungsvergütung, so dass von einem gering bezahlten Arbeitsverhältnis auszugehen sei.
Mit Einverständnis beider Parteien ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
II.
Die Klage ist begründet. Die Tochter des Klägers hat sich in Neuseeland für ihren Beruf als Erzieherin ausgebildet.
1. Ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wird gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz (EStG) beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.
a) Das Tatbestandsmerkmal „für einen Beruf ausgebildet” wird vom Gesetz nicht näher umschrieben. Durch die Verweisung in § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG auf § 32 Abs. 4 EStG hat der Gesetzgeber aber klargestellt, dass der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung seit der Systemumstellung zum 1. Januar 1996 auch im Kindergeldrecht anzuwenden und somit eine einheitliche steuerrechtliche Auslegung geboten ist. Auf die Rechtsprechung der Sozialgerichte zum BKGG a. F. kann dabei nur eingeschränkt zurückgegriffen werden, da das Kindergeld – ebenso wie der Kinderfreibetrag – in erster Linie der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei den Eltern dient (§ 31 Satz 1 EStG).
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 32 EStG a. F. ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen (BFH-Urteil vom 11.10.1984 VI R 69/83, BStBl II 1985, 91). In Berufsausbildung befindet sich, wer sei...