Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichstellung einer Entnahme mit einer unbewegten Lieferung. Ort der Entnahme. Entnahme von Gegenständen ist keine steuerfreie Ausfuhrlieferung, auch wenn der Gegenstand anschließend ins Ausland gelangt
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Entnahme eines Gegenstandes ist einer unbewegten Lieferung gleichzustellen.
2. § 3f UStG verstößt gegen das Gemeinschaftsrecht, soweit die Anwendung dieser Vorschrift im Einzelfall zu einem anderen Ort der Entnahme führt als die entsprechende Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 77/388/EWG (bzw. Art. 31 MwStSystRL).
3. Die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen ist auf Entnahmen nicht anwendbar, weil die Entnahme eines Gegenstands einer unbewegten Lieferung gleichzustellen ist; die Entnahme als solche erfolgt stets ohne Fortbewegung des Gegenstands.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 1 Buchst. a, §§ 6, 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1, § 3f; EWGRL 388/77 Art. 8 Abs. 1 Buchst. b; EGRL 112/2006 Art. 31
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Entnahme eines Kraftfahrzeugs als Ausfuhrlieferung steuerfrei ist.
Der Kläger betrieb als Einzelunternehmer eine Tierarztpraxis in M.
Der Kläger erwarb mit Rechnung vom 7. Mai 2002 einen Geländewagen Land Rover Defender für 31.755 EUR (27.375 EUR zzgl. 16 % Umsatzsteuer 4.380 EUR). Für das Fahrzeug nahm er die zu 50 % abziehbare Vorsteuer in Höhe von 2.190 EUR in Anspruch (§ 15 Abs. 1b Umsatzsteuergesetz in der Fassung von 2002 und 2003 – UStG –).
Der Kläger beendete seine Tätigkeit als selbständiger Tierarzt am 30. April 2003. Zum 1. Mai 2003 übernahm er in N. (Kenia) eine Tätigkeit als nichtselbständiger Tierarzt bei der Organisation T. Da der Kläger für diese Tätigkeit den Land Rover benötigte, ließ er das Fahrzeug zusammen mit seinen persönlichen Habseligkeiten durch einen Spediteur am 12. April 2003 per Schiffsfracht von Hamburg nach Mombasa (Kenia) und von dort auf dem Landweg nach N. transportieren.
Der Kläger unterwarf die Entnahme des Land Rovers in der am 18. August 2003 übermittelten Voranmeldung für das 2. Quartal des Streitjahres (2003) in Höhe von 18.383 EUR der Umsatzsteuer; gleichzeitig nahm er für das Fahrzeug einen nachträglichen Vorsteuerabzug gem. § 15a Abs. 4 Satz 2 UStG in Höhe von 1.752 EUR vor. In der am 24. November 2003 übermittelten berichtigten Voranmeldung verminderte er die erklärten Umsätze zu 16 % um 18.383 EUR in der Annahme, dass für die Entnahme des Land Rovers die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen gem. § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 UStG eingreife.
Nachdem der Kläger keine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2003 abgegeben hatte, setzte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 10. Oktober 2005 unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in Höhe von 3.180 EUR fest. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 26. Oktober 2005 Einspruch ein. Daraufhin erließ das FA unter dem 15. Februar 2006 einen geänderten Bescheid. Darin versagte es für die Entnahme des Land Rovers, die als steuerbarer Umsatz in Höhe von 18.383 EUR angesetzt wurde, die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen und beließ den nachträglichen Vorsteuerabzug für das Fahrzeug in Höhe von 1.752 EUR. Dies führte zu der Festsetzung einer verbleibenden Umsatzsteuer 2003 in Höhe von 2.492,81 EUR. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21. Februar 2006 erneut Einspruch ein. Der Einspruch wurde in der Einspruchsentscheidung vom 23. März 2007 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 17. April 2007 erhobene Klage, mit der der Kläger die Steuerbefreiung der Entnahme des Land Rovers als Ausfuhrlieferung weiter verfolgt. Zur Begründung trägt er vor, durch die vorgelegten Unterlagen stehe aufgrund der objektiven Beweislage fest, dass eine steuerfreie Ausfuhrlieferung vorliege.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
unter Änderung des Umsatzsteuer-Bescheids vom 15. Februar 2006 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 23. März 2007 die Umsatzsteuer für 2003 in Höhe des negativen Betrags von 448,47 EUR festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung beruft sich das FA auf den Ausschluss der Steuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen für unentgeltliche Wertabgaben gem. § 6 Abs. 5 UStG.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Das FA hat im Ergebnis zu Recht auf die Entnahme des Land Rovers nicht die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen angewandt.
1. Hinsichtlich des Land Rovers liegt eine im Inland steuerbare Entnahme vor.
a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Einer Lieferung gegen Entgelt wird gem. § 3 Abs. 1b UStG gleichgestellt 1. die Entnahme eines Gegenstandes durch einen Unternehmer aus seinem Unterneh...