Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt in dem ein Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG berücksichtigungsfähig ist
Leitsatz (redaktionell)
Für die Erfassung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG ist ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ausreichend, weil ein solches Verfahren auch die Sanierung einer Kapitalgesellschaft zur Folge haben kann.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob ein Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) im Streitjahr 2001 oder erst im Folgejahr zu berücksichtigen ist.
Der Kläger war zu 50 % am Stammkapital der XY (GmbH) beteiligt. Die Gesellschafter beschlossen am 19. Dezember 2001, beim Amtsgericht NN einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Der Antrag wurde am 3. Januar 2002 eingereicht und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse mit Beschluss des Amtsgerichts NN vom 10. April 2002 abgelehnt. Auf das Gutachten des Rechtsanwalts RA vom 14. März 2002 wird Bezug genommen. Die Auflösung der GmbH wurde am 29. Mai 2002 im Handelsregister eingetragen.
Mit der Einkommensteuererklärung des Klägers für 2001 vom 11. März 2002 wurde ein Auflösungsverlust in Zusammenhang mit dieser GmbH nicht geltend gemacht. Der gegen den Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 13. Mai 2002 eingelegte Einspruch blieb unbegründet und wurde mit Einspruchsentscheidung vom 8. Januar 2003 zurückgewiesen.
Mit Klage vom 11. Februar 2003 macht der Kläger nun einen Verlust nach § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von 98.895,75 DM geltend. Im Streitfall sei der Verlust nicht im Zeitpunkt der Liquidation, sondern im Zeitpunkt der Vermögenslosigkeit, also bereits 2001, realisiert worden. Aus dem Gutachten des Rechtsanwalts RA ergebe sich, dass die GmbH im Zeitpunkt des Beschlusses vom 19. Dezember 2001 vermögenslos gewesen sei. Auch die Inanspruchnahme des Klägers aus einer Bürgschaft gegenüber der Sparkasse … habe bereits 2001 festgestanden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids für 2001 vom 29. April 2002 und der Einspruchsentscheidung vom 8. Januar 2003 die Einkommensteuer für 2001 unter Berücksichtigung eines Verlustes nach § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von 98.895,75 DM festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Entstehung eines Verlustes nach § 17 Abs. 4 EStG setze die zivilrechtliche Auflösung der Kapitalgesellschaft voraus. Die GmbH sei aber erst mit Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden. Eine steuerliche Berücksichtigung des Auflösungsverlustes sei erst im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2002 möglich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Akten verwiesen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Klage ist unbegründet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entsteht ein Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG erst mit Abschluss des Liqidationsverfahrens. Die Entstehung eines nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Verlustes setzt neben der zivilrechtlichen Auflösung der Gesellschaft weiter voraus, dass der wesentlich beteiligte Gesellschafter mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr rechnen kann; es muss ferner feststehen, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten anfallen werden sowie welche im Rahmen des § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Aufgabekosten der Gesellschafter zu tragen hat. Ausnahmen hat der Bundesfinanzhof zugelassen, wenn aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters oder einer Zwischenrechnungslegung ohne weitere Ermittlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheint (Beschluss des BFH vom 1. April 2004 VIII B 172/03, nicht amtlich veröffentlicht, Haufe-Index 1174915; Urteil des BFH vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761). Es muss die Möglichkeit einer späteren Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter ausgeschlossen sein.
Nach dem Beschluss des Finanzgerichts München vom 28. Januar 2005 (9 V 4268/04, Juris Nr. STRE200570383) kann der Zeitpunkt der Verlustrealisierung schon vor Abschluss der Liquidation durch Konkurs liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits bestehenden Verlustes wegen Vermögenslosigkeit der GmbH nicht mehr zu rechnen ist. Nach Auffassung des Gerichts ist die Überschuldung einer Kapitalgesellschaft keine Vermögenslosigkeit in diesem Sinne. Eine Überschuldung auf der Basis der Bewertung zu Verkehrswerten dokumentiert zwar, dass die Gesellschaft per Saldo vermögenslos ist, weil ihre Aktivwerte die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr decken; sie führt aber – bei Eröffnung eines Konkursverfahrens – lediglich zur Auflösung der Gesellsch...