Entscheidungsstichwort (Thema)

Erweiterte Gewerbeertragskürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bei Nutzungsüberlassung von Grundbesitz durch eine Kapitalgesellschaft an eine sie mittelbar beherrschende Personengesellschaft (umgekehrte Betriebsaufspaltung)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Verwaltung oder Nutzung des eigenen Grundbesitzes die Grenzen der Gewerblichkeit überschreitet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Grundstücksunternehmen infolge einer Betriebsaufspaltung als Besitzunternehmen (originär) gewerbliche Einkünfte erzielt.

2. Es kann auch eine Kapitalgesellschaft Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung sein (sogenannte kapitalistische Betriebsaufspaltung). Eine – die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ausschließende – sogenannte kapitalistische Betriebsaufspaltung liegt aber nicht vor, wenn die Besitzgesellschaft (GmbH) einer Betriebs-Personengesellschaft Grundbesitz zur Nutzung überlässt und selbst weder unmittelbar noch mittelbar über ihre Mutterkapitalgesellschaft an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist, sondern wenn vielmehr die GmbH als Besitzgesellschaft im Wege einer umgekehrten Betriebsaufspaltung mittelbar von der Betriebs-Personengesellschaft beherrscht wird und die Betriebsgesellschaft somit eine indirekte Muttergesellschaft der Besitz-Kapitalgesellschaft ist. Der Besitzgesellschaft können insoweit auch nicht die Beteiligungen der Gesellschafter ihrer Mutterkapitalgesellschaft an der Betriebsgesellschaft zugerechnet werden.

3. Das sogenannte Durchgriffsverbot hindert in Bezug auf den Begriff des „Gesellschafters” in § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG nicht nur daran, eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft am Grundstücksunternehmen einer unmittelbaren Beteiligung gleichzustellen, sondern auch im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „dienen” in § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG daran, eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an dem grundstücksnutzenden Unternehmen einer mitunternehmerischen Beteiligung daran gleichzustellen.

 

Normenkette

GewStG § 9 Nr. 1 Sätze 2, 5 Nr. 1; EStG § 15 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; AO § 42

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.02.2024; Aktenzeichen III R 13/23)

 

Tenor

1. Der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2015 vom 23.01.2019 wird dahingehend geändert, dass der Gewerbesteuermessbetrag für 2015 unter Berücksichtigung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Höhe von 7.349.009 EUR festgesetzt wird.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klage wendet sich gegen den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2015 vom 23.01.2019. Streitig ist, ob die Klägerin zur Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) berechtigt ist.

Klägerin ist die A Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH. An ihrem Stammkapital waren im Streitjahr 2015 bis zum 04.11.2015 zu 47,62% F und zu 52,38% die Beteiligungsgesellschaft mbH mit Sitz in X „EBG”) beteiligt. Alleinige Gesellschafterin der EBG ist die F GmbH & Co. KG mit Sitz in X „FKG”), deren Kommanditkapital vollständig von der F Holding GmbH mit Sitz in X „FH”) gehalten wird. Alleingesellschafter der FH war bis zum 04.11.2015 F. Komplementär der FKG war die F Beteiligungsgesellschaft mbH. Die FKG hält außerdem 100 % der Anteile an der A GmbH. Mit Wirkung zum 05.11.2015 übertrug F seine Anteile an der Klägerin sowie an der FH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf A.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Erwerb, das Halten und das Verwalten sowie das Veräußern von Immobilien. Die Klägerin erbringt ihre Leistungen fast ausschließlich für verbundene Gesellschaften. In den Jahren 2013 und 2014 überließ sie der FKG mietweise Teilflächen (1.740 m²) des Grundstücks … in X. Dieser Gebäudebereich wird von der Geschäftsführung und von zentralen Verwaltungseinheiten der FKG genutzt. Ab 2015 wurden die beschriebenen Flächen über ein Zwischenmietverhältnis mit der A GmbH an die FKG überlassen. Auf ihren Gewerbeertrag hat die Klägerin im Streitjahr die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG angewendet.

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung für die Erhebungszeiträume 2013 bis 2015 wurde durch den Betriebsprüfer die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG für alle geprüften Erhebungszeiträume nicht erfüllt seien, weil eine schädliche Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der FKG vorläge. Diesen Feststellungen folgend setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 23.01.2019 den Gewerbesteuermessbetrag 2015 ohne Berücks...

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