Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmereigenschaft bei entgeltlicher Übertragung des Betriebs eines Blockheizkraftwerks auf andere. Vorsteuerabzug aus einer Vorausrechnung über ein noch nicht geliefertes Blockheizkraftwerk

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Schließt der Steuerpflichtige einen Kaufvertrag über ein Blockheizkraftwerk ab, dessen Strom vollständig und entgeltlich in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden soll, zahlt er bereits vor der Auslieferung den mit einem Privatdarlehen finanzierten Kaufpreis, will er die Anlage aber nicht persönlich betreiben und überträgt er deswegen bereits vorab den vollständigen Betrieb des Blockheizkraftwerks durch Abschluss eines Pachtvertrags entgeltlich auf den Verkäufer der Anlage, so ist er als Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG anzuerkennen.

2. Hat der Steuerpflichtige in gutem Glauben aufgrund einer vom Lieferer erstellten Vorabrechnung mit Steuerausweis den Kaufpreis für ein Blockheizkraftwerk bereits vor der Auslieferung in der Annahme bezahlt, dass er die Verfügungsmacht über ein funktionierendes Blockheizkraftwerk erhalten werde, und sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er bei Erhalt der Vorausrechnung wusste oder hätte wissen müssen, dass er tatsächlich in ein betrügerisches Schneeballsystem des Verkäufers eingebunden war, so steht ihm nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils v. 13.3.2014 (C-107/13 [FIRIN], DStR 2014 S. 650) der Vorsteuerabzug aus der Vorabrechnung selbst dann zu, wenn vermutlich bereits bei Abschluss des Kaufvertrags feststand, dass der Verkäufer das geschuldete Heizkraftwerk nicht würde liefern können und die Vorausrechnung nur gestellt hat, um an weitere finanzielle Mittel zu gelangen, und wenn dem Steuerpflichtigen zudem kein genaues Lieferdatum bekannt war (gegen FG Münster, Urteil v. 3.4.2014, 5 K 383/12 U).

3. Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus der Vorausrechnung (s. unter 2.) kommt jedenfalls im Streitjahr nicht in Betracht, wenn aufgrund der Gesamtumstände davon auszugehen ist, dass im Streitjahr für den Steuerpflichtigen noch nicht feststand, dass eine Lieferung des von ihm gekauften Heizkraftwerks endgültig nicht erfolgen würde, und wenn er auch die geleistete Vorauszahlung nicht zurück erhalten hat.

 

Normenkette

UStG 2010 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Sätze 1-3, § 2 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 5 S. 1, Abs. 4, § 14c Abs. 2, § 17 Abs. 2 Nr. 2; Richtlinie 2006/112/EG Art. 167, 65

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.03.2019; Aktenzeichen V R 6/19 (V R 33/16))

BFH (Urteil vom 27.03.2019; Aktenzeichen V R 6/19)

 

Tenor

1. Unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 20. Oktober 2015 wird die Umsatzsteuer für 2010 auf negativ … herabgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist der Vorsteuerabzug aus einem gekauften und angezahlten, aber nicht gelieferten Blockheizkraftwerk (BHKW).

Der Kläger bestellte am 15. März 2010 bei der A-mbH ein BHKW (vgl. Bestellschein, FG-Akte, Bl. 76). Die Bestellung wurde von der A-mbH am 29. März 2010 bestätigt und der Kaufvertrag somit geschlossen (vgl. Auftragsbestätigung, FG-Akte, Bl. 77). In der Auftragsbestätigung wurde darauf hingewiesen, dass der Lieferzeitpunkt noch bekannt gegeben wird und der Stellplatz für den Container nach Montage des BHKW durch den Kläger bzw. die (vom Kläger ggf. beauftragte) Verwaltungsgesellschaft festgelegt wird. Mit Rechnung vom selben Tag rechnete die A-mbH den Kauf des BHKW mit einer Nennleistung von 50 kWh mit 37.500 EUR zzgl. 7.125 EUR MwSt ab. Im Gesamtpreis waren laut Rechnung Vormontage, Umrüstung auf Pflanzenöl, Lieferung sowie Transport, Anschluss und Schlussmontage vor Ort enthalten. Die genauen technischen Details der Einzelkomponenten sollte der Kläger nach Montage, den genauen Standort bei Auslieferung des BHKW erhalten. Der Kaufpreis, den der Kläger mit Fremdmitteln über die Sparkasse Ingolstadt finanziert hatte, wurde der A-mbH am 8. April 2010 auf ihrem Konto gutgeschrieben (vgl. Gutschrift, USt-Akte, Bl. 7).

Mit Schreiben vom 27. April 2010 zeigte der Kläger gegenüber dem Finanzamt den Beginn einer Gewerbetätigkeit als Energieeinspeiser nach Fertigstellung des BHKW an.

Mit Datum vom 22. September 2010 schloss der Kläger mit der A-mbH sodann einen Pachtvertrag über das BHKW Set. Nr. für einen Zeitraum von zehn Jahren gegen eine monatliche Zahlung von 1.500 EUR zuzüglich 285 EUR Mehrwertsteuer. Die Übergabe des BHKW sollte durch die Abtretung des Anspruchs des Klägers auf Lieferung und Herausgabe des Pachtgegenstandes gegenüber der B-AG erfüllt werden. Eine Angabe zum künftigen Aufstellungsort enthielt der Pachtvertrag nicht. Die A-mbH war nach den vertraglichen Bestimmungen berechtigt, das BHKW nach ihrem Belieben zur bestimmungsgemäßen Erzeugung von Strom ...

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