Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbringung in einem Pflegeheim. Berücksichtigung der Haushaltsersparnis bei Beibehaltung des bisherigen Hausstands
Leitsatz (redaktionell)
1. Die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Kosten der krankheitsbedingten Unterbringung in einem Pflegeheim sind trotz Beibehaltung des bisherigen Hausstands um die Haushaltsersparnis zu kürzen, wenn mit einer Rückkehr des Steuerpflichtigen in den bisherigen Haushalt endgültig nicht mehr zu rechnen und ihm die Auflösung des Privathaushalts deshalb zumutbar ist.
2. Die Haushaltsersparnis kann entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen geschätzt werden.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1, § 12 Nr. 1, § 33a Abs. 1
Tenor
1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2007 vom 3. Juli 2009 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 11. August 2015 wird die Einkommensteuer auf 1.207 EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 88/100 und der Beklagte zu 12/100.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die geltend gemachten Aufwendungen für ein Pflegeheim um eine Haushaltsersparnis zu kürzen sind.
Der zwischenzeitlich verstorbene bisherige Kläger (künftig: bisheriger Kläger) wurde vom beklagten Finanzamt zur Einkommensteuer veranlagt. Das Verfahren wird von den Rechtsnachfolgern, den Klägern, geführt. Der bisherige Kläger litt laut den medizinischen Gutachten zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit vom 19.3.2007 (Erstgutachten zur Pflegestufe I) bzw. 24.11.2007 (Gutachten zur Pflegestufe II ab September 2007) bereits seit knapp drei Jahren an Parkinson, seit dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 2006 zudem an Demenz. Der bisherige Kläger wurde ab dem 20.2.2007 zunächst zur Kurzzeitpflege in das Pflegeheim in P. verbracht. Aufgrund des Vertrages vom 27.3.2007 mit dem Pflegeheim wurde der bisherige Kläger vollstationär zur Pflege aufgenommen. Bei Vertragsabschluss wurde der bisherige Kläger durch den Kläger zu 1) als Bevollmächtigten vertreten (Altersvorsorgevollmacht mit Vorsorgeverfügungen des bisherigen Klägers vom 11.1.2007); Vertragsbeginn war der 20.3.2007.
Der bisherige Kläger wohnte bis zu seinem Aufenthalt im Pflegeheim im Anwesen in P., A-straße, das er mit notarieller Urkunde im November 2003 seinem Sohn, dem Kläger zu 1), veräußert hatte und mit Vertrag gleichen Datums zu Wohnzwecken mietete.
Der bisherige Kläger machte in seinen Einkommensteuererklärungen folgende Aufwendungen für das Pflegeheim in den Streitjahren als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Einkommensteuergesetz jeweils in der für die Streitjahre geltenden Fassungen (EStG) geltend (in EUR):
Streitjahr |
Aufwendungen |
Abzgl. Erstattungen |
Nach § 33 EStG geltend gemachter Betrag |
2007 |
32.526 |
10.131 |
22.395 |
2008 |
33.968 |
15.348 |
18.620 |
2009 |
34.621 |
15.348 |
19.273 |
2010 |
35.116 |
15.348 |
19.768 |
2011 |
35.415 |
15.348 |
20.067 |
Weiterhin machte der bisherige Kläger folgende weitere Aufwendungen nach § 33 EStG geltend: Kfz-Kosten wegen einer Gehbehinderung i.H.v. pauschal 900 EUR in den Streitjahren 2007 bis 2011 und Krankheitskosten-Anteil i.H.v. 270 EUR in 2010 und i.H.v. 290 EUR in 2011.
Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen (vor Abzug der zumutbaren Belastung) wie folgt:
2007:
Kosten für Pflegeheim |
22.395 EUR |
abzgl. Haushaltsersparnis |
7.680 EUR |
|
14.715 EUR |
zzgl. weitere außergewöhnliche Belastungen |
900 EUR |
abzgl. Betrag nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG |
924 EUR |
Aufwendungen gesamt |
14.691 EUR |
Weiterhin wurde ein Betrag für die Heimunterbringung nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG i. H. v. 847 EUR (für 11 Monate) steuermindernd berücksichtigt.
Im Rahmen der Einspruchsentscheidung kürzte das Finanzamt die Aufwendungen für das Pflegeheim nur noch um eine Haushaltsersparnis von 5.760 EUR mit der Begründung, dass die vollstationäre Pflege erst ab April 2007 vorgelegen habe und ermittelte die außergewöhnlichen Belastungen wie folgt:
Kosten für Pflegeheim |
22.395 EUR |
abzgl. Haushaltsersparnis |
5.760 EUR (9/12 von 7.680 EUR) |
|
16.635 EUR |
zzgl. weitere außergewöhnliche Belastungen |
900 EUR |
Aufwendungen gesamt |
17.535 EUR |
Ein Betrag für die Heimunterbringung nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG wurde nicht mehr berücksichtigt.
2008:
Kosten für Pflegeheim |
18.620 EUR |
abzgl. Haushaltsersparnis |
7.680 EUR |
|
10.940 EUR |
zzgl. weitere außergewöhnliche Belastungen |
900 EUR |
abzgl. Betrag nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG |
924 EUR |
Aufwendungen gesamt |
10.916 EUR |
Weiterhin wurde ein Betrag für die Heimunterbringung nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG i. H. v. 924 EUR steuermindernd berücksichtigt.
Im Rahmen der Einspruchsentscheidung wurde die Berechnung wie folgt korrigiert:
Kosten für Pflegeheim |
18.620 EUR |
abzgl. Haushaltsers... |