Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Hinterziehungszinsen bei nur leichtfertiger Steuerverkürzung
Leitsatz (redaktionell)
Da es für das Vorliegen eines bedingten Tatvorsatzes darauf ankommt, dass der Tatbeteiligte aufgrund der ihm bekannten Umstände eine Steuerhinterziehung für möglich gehalten und dies auch gebilligt hat, kann allein aus der pflichtwidrig unterlassenen Kontrolle der Umsatzsteuervoranmeldung noch nicht gefolgert werden, der Geschäftsführer habe die (zeitweise) Verkürzung von Umsatzsteuer auch gebilligt.
Normenkette
AO §§ 235, 370, 378
Tenor
1. Der Zinsbescheid vom 4. März 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2011 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob gegenüber der Klägerin zu Recht Hinterziehungszinsen festgesetzt worden sind.
Mit der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2009 vom 3. Februar 2010 erklärte die Klägerin neben steuerfreien Umsätzen steuerpflichtige Umsätze zu 19 % in Höhe von 249.517 EUR sowie abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 1.914,17 EUR. Am 13. Januar 2011 ging beim Finanzamt eine berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2009 ein, mit der steuerpflichtige Umsätze in Höhe von insgesamt 602.517 EUR und abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von nur noch 736,32 EUR erklärt wurden.
In der ursprünglichen Umsatzsteuervoranmeldung waren steuerpflichtige Umsätze der X-GmbH, einer Organgesellschaft der Klägerin, in Höhe von 353.000 EUR nicht berücksichtigt worden. Dies führte zu einer Umsatzsteuernachzahlung für den Veranlagungszeitraum Dezember 2009 in Höhe von 68.247 EUR, die sofort bezahlt wurde. Die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2009 wurde am 11. März 2011 übermittelt.
In der Erläuterung vom 1. Februar 2011 zur berichtigten Anmeldung für Dezember 2009 machte die Klägerin geltend, dass die verspätete Anmeldung der Umsatzsteuer auf organisatorischen Umstrukturierungen sowie auf einer verstärkten Fluktuation beim Buchhaltungspersonal beruhe. Umsätze seien im Dezember bei der Organgesellschaft gebucht und versehentlich nicht rechtzeitig und vollständig in der Umsatzsteuervoranmeldung der Klägerin als Organträgerin angemeldet worden. Dies sei erst im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten der Klägerin aufgedeckt worden.
Die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts ging davon aus, dass Umsatzsteuer zwar vorsätzlich hinterzogen worden sei, aber eine strafbefreiende Selbstanzeige vorliege und die Einleitung eines Strafverfahrens deshalb nicht veranlasst sei. Eine Verzinsung des hinterzogenen Betrages wurde jedoch angeregt.
Mit Bescheid vom 4. März 2011 setzte das Finanzamt gegenüber der Klägerin für den Zeitraum vom 10. Februar 2010 bis 13. Januar 2011 aus einem Betrag von 68.200 EUR Hinterziehungszinsen zur Umsatzsteuer Dezember 2009 in Höhe von 3.751 EUR fest.
Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2011 als unbegründet zurück. Mit der Klage wird im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Es liege zwar unstreitig eine objektive Steuerverkürzung vor. Es gebe aber keine Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Steuerhinterziehung. Wegen der geschilderten Umstrukturierungsprobleme könne nicht mehr festgestellt werden, woran es gelegen habe, dass die streitigen Umsätze bei der Organgesellschaft zwar gebucht, bei der Klägerin aber nicht für die Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 2009 berücksichtigt worden seien. Der zuständige Buchhalter sei nicht mehr in der Unternehmensgruppe der Klägerin beschäftigt. Der neue Geschäftsführer der Klägerin (Herr S), der sein Amt erst am 22. Dezember 2009 angetreten habe, habe von den versehentlich innerhalb der Unternehmensgruppe nicht kommunizierten Organumsätzen nichts erfahren. Die vom Finanzamt angeführten Indizien, wie die Höhe der nachgemeldeten Umsätze, eine bereits für Dezember 2007 erfolgte Nachmeldung in erheblichem Umfang und die im Dezember im Vergleich zu den Vormonaten immer erhöhten Umsätze, seien kein ausreichender Nachweis für das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes.
Die Klägerin beantragt, den Zinsbescheid vom 4. März 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2011 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Es bringt vor, dass der Geschäftsführer die steuerlichen Pflichten der KG zu erfüllen habe. Es könne deshalb nicht Vorsatz ausschließend gewertet werden, wenn er seinen steuerlichen Pflichten nicht nachgekommen sei. Zu den Aufgaben des Geschäftsführers gehöre auch, durch geeignete Kontrollmechanismen die Richtigkeit der erklärten und abzuführenden Steuerbeträge zu überprüfen. Die eklatante Abweichung der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2009 von den Vormonaten (ca. 7.800 EUR Erstattung anstatt 45.000 EUR Zahllas...