Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmereigenschaft eines Chefarztes bezüglich seiner Liquidationseinnahmen. Anfechtbarkeit der Lohnsteueranmeldung durch Arbeitnehmer nach Ergehen des Einkommensteuerbescheids. Fortsetzungsfeststellungsklage im LSt-Anmeldungsverfahren. Lohnsteueranmeldung für Februar 1998
Leitsatz (amtlich)
1. Der in einem Kreiskrankenhaus angestellte Chefarzt, der für die zwischen dem Krankenhaus und den Privatpatienten vereinbarten ärztlichen Wahlleistungen lt. seinem Arbeitsvertrag das Liquidationsrecht besitzt, bezieht aus diesen Einnahmen Arbeitslohn, wenn nach dem Gesamtbild der Umstände des Einzelfalls die Merkmale einer nichtselbständigen Tätigkeit überwiegen, weil die dem Liquidationsrecht unterliegenden Leistungen nach dem Arbeitsvertrag zu seinen Dienstaufgaben gehören und an dem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten gleichbleibenden Ort zu festen Zeiten ausgeübt werden müssen. Allein die ohne Einflussnahme des Krankenhausträgers erfolgte selbständige Honorarfestsetzung und das – durch die Einziehung durch den Krankenhausträger ohnehin geminderte – Risiko des Forderungsausfalls führen nicht zu einem für die Selbständigkeit der Tätigkeit ausreichenden Unternehmerrisiko.
2. Mit dem Ergehen des Einkommensteuerbescheids gegenüber einem Arbeitnehmer entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für eine weitere Anfechtung der Lohnsteueranmeldung im Wege der Anfechtungsklage. Zulässig ist aber, der wegen der Beurteilung bestimmter Einnahmen als Arbeitslohn vom Arbeitnehmer verfolgte Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Lohnsteueranmeldung nach § 100 Satz 4 FGO (Fortsetzungsfeststellungsklage), wenn die Entscheidung über die Einkünftequalifikation im Lohnsteueranmeldungsverfahren auch im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren zu beachten ist.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1; LStDV §§ 1-2; FGO § 100 Abs. 1 S. 4, § 40 Abs. 2; EStG § 41a Abs. 1 S. 1; FGO § 40 Abs. 1; AO 1977 § 168
Beteiligte
Kreiskrankenhäuser des Landkreises E |
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger (Kl) ist seit 1. April 1991 chirurgischer Chefarzt am Kreiskrankenhaus E. Nach der Regelung im Dienstvertrag vom 6./10. November 1990 gehört zu seinen Dienstaufgaben an erster Stelle die Behandlung aller Kranken seiner Abteilung im Rahmen der Krankenhausleistungen (allgemeine Krankenhausleistungen und Wahlleistungen; vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1). Gesondert berechenbare wahlärztliche Leistungen erbringt der Kl nach Maßgabe der GOÄ (GOZ) in der jeweils gültigen Fassung. Im Verhinderungsfall übernimmt diese Aufgabe sein Stellvertreter (§ 6 Abs. 2). Die mit den Dienstaufgaben zusammenhängenden ärztlichen Leistungen sind – soweit möglich – ausschließlich im Krankenhaus mit dessen Geräten und Einrichtungen zu bewirken (§ 6 Abs. 5, 1. HS). Für die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen bei denjenigen Kranken, die diese Leistungen gewählt, mit dem Krankenhaus vereinbart und in Anspruch genommen haben, besitzt der Kl das Liquidationsrecht (§ 8 Abs. 2 Buchst. a). Für den Umfang der Inanspruchnahme dieser Leistungen, für die Höhe und für den Eingang der Einnahmen aus der Einräumung des Liquidationsrechts übernimmt der Krankenhausträger keine Gewähr; Ausgleichsansprüche bestehen nicht (§ 8 Abs. 3). Mit der Vergütung im dienstlichen Aufgabenbereich und der Einräumung des Liquidationsrechts sind Überstunden sowie Mehr-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art sowie Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft abgegolten (§ 8 Abs. 7). Das vom Kl an den Krankenhausträger zu entrichtende Nutzungsentgelt setzt sich aus Kostenerstattung und Vorteilsausgleich in Höhe von 8 v. H. der Bruttohonorareinnahmen zusammen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3). Letzteres bemisst sich nach den Kosten, die für die liquidationsberechtigten Leistungen im Rahmen der zu ermittelnden Selbstkosten aus den Gesamtkosten des Krankenhauses auszugliedern sind (§ 10 Abs. 2 Satz 1). Die Honorare aus dem Liquidationsrecht werden vom Krankenhaus zusammen mit den Forderungen des Krankenhauses eingezogen. Zu diesem Zweck hat der Kl die von ihm bemessene Honorarforderung mit der Spezifikation der Krankenhausverwaltung mitzuteilen (§ 11 Abs. 1). Die auf den Kl entfallenden Bruttoliquidationseinnahmen werden zunächst in voller Höhe an den Arzt abgeführt. Gleichzeitig zieht die Krankenhausverwaltung die Nutzungsentgelte zusammen mit der Einzugsgebühr und der finanziellen Beteiligung der nachgeordneten Ärzte (20 v.H. der Liquidationserlöse) vom Kl ein (§ 11 Abs. 1 Sätze 4 und 5 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 19. Juni 1991 und § 12 des Dienstvertrages vom 6./10. November 1990).
Daneben wurde dem Kl eine Nebentätigkeitserlaubnis u. a. für die ambulante Beratung und Behandlung (Sprechstundentätigkeit) erteilt.
Im Rahmen der Einkommensteuer (ESt)-Veranlagung des Kl behandelte der Beklagte (...