rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rabattfreibetrag bei verbilligtem Strombezug durch Arbeitnehmer des Stromnetzbetreibers
Leitsatz (redaktionell)
Bezieht nach einer Umstrukturierung im Stromkonzern der Arbeitnehmer den ihm arbeitsvertraglich zustehenden verbilligten Strom nicht mehr von seinem Arbeitgeber, sondern von einer Vertriebsgesellschaft, während der Arbeitgeber als reiner Stromnetzbetreiber tätig ist, so hat der Arbeitnehmer bei der Versteuerung des geldwerten Vorteils dennoch Anspruch auf den Rabattfreibetrag nach § 8 Abs. 3 S. 2 EStG, weil der Arbeitgeber als Stromnetzbetreiber bei wertender Betrachtung als Hersteller der vom Arbeitnehmer bezogenen Ware Storm anzusehen ist (Anschluss an das Urteil des BGH v. 25.2.2014, VI ZR 144/13)
Normenkette
EStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, §§ 19, 8 Abs. 1-3; ProdHaftG § 4 Abs. 1 S. 1; BGB § 90
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 26. November 2012 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2015 werden dahingehend geändert, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Rabattfreibetrag i.H.v. 1.080 EUR berücksichtigt und die Einkommensteuer auf dieser Grundlage neu berechnet wird.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Voraussetzung für die Gewährung eines Rabattfreibetrages gemäß § 8 Absatz 3 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) vorliegen.
Die Kläger wurden im Jahr 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Angestellter der A AG Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Neben den Lohnzahlungen wurde ihm ein Nachlass auf den von ihm bezogenen und verbrauchten Strom gewährt (Stromdeputat).
Der Kläger hatte seinen Strom in den Jahren zuvor von seinem Arbeitgeber, der A AG, bezogen und den geldwerten Vorteil aus dem verbilligten Strombezug bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit unter Berücksichtigung des Rabattfreibetrags von 1.080 EUR nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG versteuert.
Im Streitjahr bezog der Kläger seinen Strom nicht mehr von der A AG als Stromlieferanten, sondern von der A Vertriebs GmbH, einer 100 %-igen Tochter der A AG. Grund dafür war, dass nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) die Energieversorger verpflichtet waren, die Tätigkeit als Verteilernetzbetreiber von den sonstigen Tätigkeiten der Energieversorgung zu trennen (§ 7 EnWG). Die Entflechtung erfolgte im A-Konzern dadurch, dass A AG jetzt nur noch als Verteilernetzbetreiber fungierte und die vertrieblichen Aktivitäten … auf die A Vertriebs-GmbH übergingen. Die A Vertriebs-GmbH gewährte dem Kläger die bisherige Ermäßigung auf die Stromlieferung laut Werktarif.
Dieser geldwerte Vorteil aus dem Stromdeputat betrug im Streitjahr 1.396,17 EUR und wurde von der A AG der Lohnbesteuerung unterworfen.
Das beklagte Finanzamt minderte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung den in den erklärten Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit enthaltenen geldwerten Vorteil aus dem Stromdeputat nicht um den Rabattfreibetrag nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG. Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 26. November 2012 erhoben die Kläger Einspruch und beantragten den Abzug des Freibetrags nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2015).
Ihre hiergegen gerichtete Klage begründen die Kläger im Wesentlichen wie folgt: Die interne Umstrukturierung des Arbeitgebers des Klägers könne nicht zu einer geänderten rechtlichen Bewertung in Bezug auf das Stromdeputat führen, so dass dem Kläger der bisher gewährte Freibetrag unabhängig von den internen Umstrukturierungen auf Arbeitgeberseite weiterhin zustehe. Die Erbringung von Strom als Ware stelle eine einheitliche Leistung dar. Neben der Erzeugung von Strom bestehe die Leistungserbringung im Wesentlichen durch die ständige Bereitstellung, somit dem ständigen Zugriff des Endverbrauchers durch die flächenmäßige Abdeckung eines Stromnetzes. Insofern wäre eine Stromlieferung ohne Netzbetrieb nicht möglich. Im Streitfall erfolge der Vertrieb des Stroms durch eine hundertprozentige Tochter des Arbeitgebers. Entsprechend könne diese die Stromlieferung ohne das Bestehen eines Netzbetreibers nicht erbringen. Daneben sei zu beachten, dass der Strom nach den Vorgaben der Muttergesellschaft produziert werde. Damit sei der Arbeitgeber als Netzbetreiber als Hersteller der Ware „Strom” im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG anzusehen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 26. November 2012 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2015 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um den Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 EUR gemindert werden und die Einkommensteuer auf dieser Grundlage ...