Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliche Zurechnung der von Prostituierten erbrachten Leistungen beim Bordellbetreiber. kein Vorsteuerabzug des Bordellbetreibers bezüglich der Prostitutionsumsätze ohne ordnungsgemäß von den Prostituierten erstellte Rechnungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist ein Namensgeber bei einem Saunaclub oder einem Bordell nach außen im Internetauftritt gegenüber den Kunden und im Schriftverkehr bzw. bei Steueranmeldungen auch gegenüber den Behörden als Inhaber aufgetreten, so ist er als leistender Unternehmer anzusehen.
2. Einem Bordellbetreiber können die von den Prostituierten in einem Bordell erbrachten Leistungen zugerechnet werden, wenn er gemäß den nach außen erkennbaren Gesamtumständen aufgrund von Organisationsleistungen selbst derjenige ist, der durch die Anwerbung von Prostituierten und deren Un-terbringung das Bordell betreibt, z. B. indem er in seiner Werbung als Inhaber des Bordells oder des bordellähnlichen Betriebs als Erbringer sämtlicher vom Kunden erwarteter Dienstleistungen einschließlich der Verschaffung von Geschlechtsverkehr aufgetreten ist. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Prostituierten weisungsgebunden als Arbeitnehmerinnen anzusehen sind oder ob es sich um selbständige Unternehmerinnen handelt.
3. Ein Vorsteuerabzug des Bordellbetreibers aus den Prostituiertenumsätzen kommt nicht in Betracht, wenn über die Umsätze keine Rechnungen geschrieben worden sind, die dokumentieren könnten, in wel-cher Höhe Umsätze getätigt wurden bzw. ob die leistenden Prostituierten tatsächlich zum Ausweis der Umsatzsteuer berechtigt waren oder ob es sich etwa um (eine Vielzahl von) Kleinunternehmerinnen gehandelt hat.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 2 Abs. 1, § 13 Abs. 2, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1; MwStSystRL Art. 178
Tenor
1. Einem Bordellbetreiber können die von den Prostituierten in einem Bordell erbrachten Leistungen zugerechnet werden.
2. Ein Vorsteuerabzug aus den Leistungen der Prostituierten an den Bordellbetreiber kommt ohne weitere Kenntnisse über die Unternehmereigenschaft der Prostituierten auch dann nicht in Betracht, wenn man davon ausgeht, dass ein Vorsteuerabzug auch ohne Rechnung möglich ist.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob dem Kläger die Umsätze der in den Bordellen „P” und „S” tätig gewesen Prostituierten zuzurechnen sind bzw. ob ihm aus diesen Leistungen ein Recht auf Vorsteuerabzug zusteht.
Der Kläger war bis März 2010 im S, betrieben von O, als Barmann beschäftigt. Ab März 2010 trat er als offizieller Betreiber dieses Etablissements sowie des bordellartigen Betriebs P auf. O ist seit diesem Zeitpunkt beim Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt worden.
Der Kläger reichte für die Streitjahre Umsatzsteuervoranmeldungen sowie eine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2010 ein. Die erklärten Umsätze setzten sich aus Eintrittsgeldern, Getränkeverkäufen und Zimmermieten zusammen.
Im Rahmen einer beim Kläger für 2010 bis 2013 durchgeführten Steuerfahndungsprüfung stellte der Prüfer fest, dass keine Prostituiertenumsätze und die Einnahmen aus Zimmermieten sowie die von den Kunden und den Prostituierten gezahlten Eintrittsgelder nur zum Teil erklärt wurden. Sowohl für P als auch für S wurde im Internet sowie in verschiedenen Printmedien geworben. Der Kläger und O haben für das erforderliche Personal, einschließlich der in den Clubs tätigen Prostituierten, gesorgt.
Es wurden die für die Dienstleistungen der Prostituierten erforderlichen Räumlichkeiten wie Kontaktraum, Bar, Toiletten, Einzelzimmer sowie – mit Ausnahme der persönlichen Utensilien (Kleidung, Schminke, Präservative) – alle notwendigen Arbeitsmittel wie Sauna, Pool, Bettwäsche zur Verfügung gestellt. Für die sexuellen Dienstleistungen in beiden Clubs gab es einen einzuhaltenden Leistungskatalog mit zum Teil festen Preisen (… EUR für die halbe, … EUR für die ganze Stunde). Den Prostituierten waren die Arbeitszeiten, die sich an den Öffnungszeiten der Clubs orientierten, vorgegeben. Dabei wurden die Zeiten auf den Zimmern vom Kläger bzw. O oder den Angestellten kontrolliert und protokolliert. Es wurde auch die Anzahl der Gäste pro Prostituierter und Nacht aufgezeichnet. Der Freier buchte die Prostituierte, die üblicherweise unter einem Künstlernamen arbeitete, für einen festen Zeitraum. Er kannte weder die wahre Identität noch die Anschrift der Prostituierten.
Ferner ergaben die Ermittlungen, dass der Kläger zwar nur als Strohmann fungiert hatte und intern nur als „kleiner Chef” die Bordelle leitete. Im Außenverhältnis trat er aber als Inhaber der Clubs auf und bot in der Print- und Internetwerbung sämtliche von den Kunden in einem Bordellbetrieb erwarteten Dienstleistungen einschließlich der Verschaffung von Geschlechtsverkehr an. Der Prüfer kam in Anbetracht der getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis, dass die Kunden nicht den Schluss ziehen konnten, dass eine Leistungsbeziehung zu den einzelnen Prostituierten bestanden habe.
Leistender Unternehmer sei der nach Außen im Namen de...