Entscheidungsstichwort (Thema)

AdV eines Auskunfts- und Vorlageersuchens im Insolvenzverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Veranlasst ein vorläufig schwacher Insolvenzverwalter bei der kontoführenden Bank des Insolvenzschuldners, dass Steuerbeträge aus dem Lastschriftverfahren zurückgebucht werden, bestehen an einem unsubstantiierten Auskunfts- und Vorlageersuchen des Finanzamts gegenüber dem Insolvenzverwalter, die Fakten und Hintergründe des Rückrufs offenzulegen, ernstliche Rechtmäßigkeitszweifel.

2) Zur Feststellung, ob die Lastschriften vom Insolvenzschuldner genehmigt worden waren und deshalb ein Erstattungsanspruch des Finanzamts entstanden sein könnte, ist ein Auskunfts- oder Vorlageersuchen nicht an den Insolvenzverwalter, sondern an den Verfügungsberechtigten, d.h. an den Insolvenzschuldner oder seine Geschäftsleitung zu stellen.

 

Normenkette

AO § 92 S. 1 Nr. 3, § 97 Abs. 1 S. 1; FGO § 69 Abs. 3; AO § 92 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob ein Auskunfts- und Vorlageersuchen von der Vollziehung auszusetzen ist.

Die Antragstellerin (Astin.) zu 2) ist in der Hamburger Niederlassung der Astin. zu 1) – einer GbR – als Rechtsanwältin tätig.

Mit Beschluss vom 26.06.2007 – 10 IN …/07 bestellte das Amtsgericht D die Astin. zu 2) zur vorläufigen Insolvenzverwalterin in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der I Wsysteme GmbH & Co KG. In dem Beschluss heißt u.a. wie folgt:

„Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens sind nur noch mit Zustimmung der vorläufigen Insolvenzverwalterin wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. InsO).

Die vorläufige Insolvenzverwalterin ist nicht allgemeine Vertreterin der Schuldnerin. …Die vorläufige Insolvenzverwalterin wird ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen.”

Später wurde der Astin. zu 2) mit Beschluss vom 26.07.2007 die allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen. Das Insolvenzverfahren wurde am 01.09.2007 eröffnet und die Astin. wurde zur Insolvenzverwalterin bestellt.

Die KG hatte den Antragsgegner (Ag.) ermächtigt, die fälligen Steuerschulden von ihrem Konto … 17 bei der Commerzbank D einzuziehen. In Ausübung ihrer Tätigkeit als vorläufige Insolvenzverwalterin veranlasste die Astin. zu 2), dass die folgende Abbuchungen rückgängig gemacht wurden:

Steuer

urspr. Gutschrift

Rückbuchung

Lohnsteuer etc. IV/2007

10.05.2007

20.07.2007

Verspätungszuschlag zur USt III/2007

07.05.2007

20.07.2007

USt III/2007

10.05.2007

20.07.2007

USt IV/2007

10.05.2007

20.07.2007

Mit Bescheid vom 11.04.2011 forderte der Ag. die Astin. zu 2) unter Bezugnahme auf die o.g. Rückbuchungen auf, bestimmte Auskünfte zu geben und Unterlagen einzureichen. Das Schreiben, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält und adressiert ist an „… I GbR / Frau F” (zwei Zeilen) lautet auszugsweise wie folgt:

„Besteuerungsverfahren der Firma I Wsysteme GmbH & Co KG, (AG D 10 IN …/07) Auskunfts- und Vorlageersuchen gem. §§ 93, 97 AO

Sehr geehrte Frau F,

entsprechend den Angaben der ehemaligen Geschäftsführer vorgenannter Firma haben Sie seinerzeit noch als sog. schwache Insolvenzverwalterin die Rückbuchung folgender mit Lastschrift …eingezogenen Steuern veranlasst: …

Hierzu erbitte ich folgende Auskünfte (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AO) und die Vorlage folgender Urkunden (§ 97 Abs. 1 Satz 1 AO):

I. Auskunftsersuchen:

  1. Haben Sie den Widerruf gegenüber der Commerzbank D schriftlich erklärt?
  2. Lagen Ihnen vor der Abfassung des Widerrufsschreibens alle Kontoauszüge der Schuldnerin vor?
  3. Wurde der Widerruf formularmäßig ausgesprochen …
  4. Wurde das Konto der Schuldnerin im Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs der Steuern debitorisch geführt?
  5. Wenn 4. bejaht wird: Lag eine Kreditzusage vor?
  6. Falls 5 nicht zutrifft: Wurde die Überziehung geduldet?
  7. Sind durch die Rückbuchung Sicherheiten freigeworden?
  8. Welche rechtlichen Prüfungen sind von Ihnen vor der Erklärung des Widerrufs vorgenommen worden?
  9. Bitte geben Sie die Namen und Funktionen der Gesprächspartner Ihres Mandanten bei der Commerzbank D an.

II. Vorlageersuchen

  1. Ihr Widerrufsschreiben an die Commerzbank D
  2. Aktenvermerke, interne Stellungnahmen u.ä. über den vorzunehmenden Lastschriftwiderruf, auch soweit sie in anderen Vermerken o.ä. enthalten sind
  3. Telefon- und sonstige Gesprächsvermerke über Gespräche mit der Commerzbank D, auch soweit sie in anderen Vermerken o.ä. enthalten sind.”

Am 10.05.2011 ging ein auf dem Briefbogen der Hamburger Niederlassung der I GbR (Astin. zu 1) erstelltes Schreiben ein, mit dem gegen den Bescheid vom 11.04.2011 Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt wurde. Das Schreiben ist in der „Wir”-Form verfasst und wurde von der Astin. zu 2) unterschrieben. In wessen Namen Einspruch eingelegt bzw. Aussetzung der Vollziehung begehrt wird, wurde nicht ausdrücklich angegeben. Gerügt wurde u.a. die Adressierung des Bescheids.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde mit Bescheid vom 12.05.2011 abgelehnt. Der Ablehnungsbescheid richtet sich allein an d...

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