Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Geschäftsgebühr im Kindergeldverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Für die Anwendbarkeit des neuen Gebührenrechts (1.8.2013) kommt es maßgeblich auf den Zeitpunkt des unbedingten Auftrags des Mandanten zur Klageerhebung an, nicht dagegen auf den Zeitpunkt der Vollmachterteilung zur außerprozessualen und prozessualen Vertretung des Bevollmächtigten.
Normenkette
RVG § 17 Abs. 1 Nr. 1a; VV RVG Nr. 3200; RVG § 60
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der anzusetzenden Geschäftsgebühr.
Der Erinnerungsgegner begehrte mit seiner am 11.12.2014 erhobenen Klage (10 K 4016/14 Kg) die Bewilligung von Kindergeld, nachdem sein Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 28.08.2012 mit Einspruchsentscheidung vom 22.07.2014 als unbegründet zurück gewiesen worden war. Am 29.08.2012 hatte der Erinnerungsgegner seinem Prozessbevollmächtigten eine Vollmacht zur Vertretung in sonstigen Verfahren und zur Prozessführung erteilt.
Mit Bescheid vom 26.05.2015 änderte die Erinnerungsführerin den Ablehnungsbescheid ab und setzte volles Kindergeld fest. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung im Hinblick auf die Änderungszusage der Erinnerungsführerin vom 28.04.2015 wurden der Erinnerungsführerin mit Beschluss des/der Berichterstatter/in vom 06.05.2015 die Kosten des Verfahrens auferlegt und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.07.2015 setzte die Kostenbeamtin die von der Erinnerungsführerin an den Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten auf 794,92 EUR fest. Dabei legte die Kostenbeamtin entsprechend dem Kostenfestsetzungsantrag eine 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG in Höhe von 648 EUR zugrunde. Hiergegen legte die Erinnerungsführerin am 17.07.2015 Erinnerung ein mit der Begründung, dass bei der Ermittlung der festzusetzenden Kosten das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der vor dem 01.08.2013 geltenden Fassung Anwendung finden müsse. Die Kostenbeamtin half der Erinnerung nicht ab.
Die Erinnerungsführerin trägt u.a. vor, dass es sich bei Einspruchs- und Klageverfahren zwar um verschiedene Angelegenheiten im Sinne der einschlägigen Vorschriften des RVG handele, der Erinnerungsgegner aber bereits vor Inkrafttreten der Neuregelungen des RVG einen unbedingten Auftrag zur Klageerhebung vor dem Finanzgericht erteilt habe, weshalb nach der Übergangsvorschrift des § 60 RVG das RVG in der vor dem 01.08.2013 geltenden Fassung Anwendung finden müsse.
Entscheidungsgründe
II.
Die Erinnerung ist unbegründet. Die zu erstattenden Kosten wurden zutreffend auf 794,92 EUR EUR festgesetzt.
Für die Höhe der zu erstattenden Kosten ist das RVG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung anzuwenden. In der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung des RVG beträgt eine 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG von 648 EUR.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist. Nach Satz 2 der Vorschrift ist, wenn der Rechtsanwalt im Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Gesetzesänderung bereits tätig ist, die Vergütung für das Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist, nach neuem Recht zu berechnen.
Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1a RVG handelt es sich bei Einspruchs- und finanzgerichtlichem Klageverfahren um verschiedene Angelegenheiten. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Der unbedingte Auftrag zur Erhebung der finanzgerichtlichen Klage wurde nach Aktenlage vom Erinnerungsgegner erst nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 22.07.2014 und damit nach Inkrafttreten der Neureglungen des RVG am 01.08.2013 erteilt. Dem steht nicht entgegen, dass der Erinnerungsgegner seinem Prozessbevollmächtigten eine Vollmacht zur Vertretung in sonstigen Verfahren und zur Prozessführung erteilt hatte. Die Vollmacht betrifft die wirksame außerprozessuale und prozessuale Vertretung im Außenverhältnis. Hiervon zu unterscheiden ist, ob auch im Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant letzterer den unbedingten Auftrag zur Klageerhebung erteilt hat. Eine endgültige – unbedingte – Entscheidung über die Erhebung einer finanzgerichtlichen Klage kann in aller Regel erst nach Abschluss des Einspruchsverfahren getroffen werden, da erst dann feststeht, in welchem Umfang die ursprüngliche Entscheidung der Behörde aufrechterhalten wird. Im Zweifel ist deshalb von einem aufschiebend bedingten Klageauftrag auszugehen, da sonst das außergerichtliche Tätigwerden wenig Sinn machen würde(Mayer/Kroiß-Klees, RVG, 5. Auflage 2012, § 60, Rn. 10). Selbst wenn die Vollmachterteilung im Streitfall zugleich als Auftragserteilung zur Klageerhebung auszulegen wäre, wäre diese Auftragserteilung zumindest durch die vollständige oder tei...