Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines bestandskräftigen Erbschaftsteuerbescheids aufgrund nachträglicher Nachlassregelungskosten
Leitsatz (redaktionell)
1) Nach dem Erbfall entstandene Nachlassregelungskosten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG begründen eine Änderungsbefugnis als sog. rückwirkendes Ereignis gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
2) Der Änderungsbefugnis steht nicht entgegen, dass die zu ändernde Steuerfestsetzung nach Eintritt des rückwirkenden Ereignisses gemäß § 165 Abs. 2 Satz 2 AO für endgültig erklärt worden ist.
Normenkette
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 3; AO §§ 165, 171 Abs. 8, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Änderbarkeit einer Erbschaftsteuerfestsetzung zur steuermindernden Berücksichtigung von Pflichtteilsverbindlichkeiten sowie Gerichtskosten und Prozesszinsen gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 und Nr. 3 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG).
Die Klägerin ist ausweislich des vom Amtsgericht N-Stadt am 01.06.2005 erteilten Erbscheins Alleinerbin ihres am 10./11.01.2005 verstorbenen Großvaters. Ihr laut Testament vom 30.08.2000 als Vorerbe eingesetzter Vater hatte das Erbe ausgeschlagen und machte in der Folge Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche geltend.
Neben dem Grundbesitz C-Straße in N-Stadt bestand der Nachlass im Wesentlichen aus dem Vermögen der J-Familienstiftung (Stiftung), einer für steuerliche Zwecke transparenten Stiftung liechtensteinischen Rechts. Die vom Erblasser in diesem Zusammenhang erzielten Einkünfte sowie die Erfassung des Vermögens der Stiftung und der damit zusammenhängenden Verbindlichkeiten aufgrund der Auszahlung an Stiftungsbegünstigte im Rahmen der Erbschaftsteuer waren Gegenstand steuerstrafrechtlicher Ermittlungen.
Der Vater der Klägerin verfolgte Pflichtteilsergänzungsansprüche gegenüber der Stiftung spätestens seit dem 06.11.2006 mit Erhebung einer Stufenklage beim Landgericht in Liechtenstein, die zunächst auf Auskunftserteilung über die durch den Erblasser an die Stiftung gemachten Zuwendungen und im weiteren auf einen noch zu beziffernden Pflichtteilsergänzungsanspruch gerichtet war. Nach bezüglich des Auskunftsanspruchs zusprechender Entscheidungen im landgerichtlichen und im Berufungsverfahren machte der Vater der Klägerin schließlich Pflichtteilsergänzungsansprüche in Höhe von 1.599.453,35 Euro im Klagewege gegenüber der Stiftung geltend. Mit Urteil vom 03.08.2012 sprach das Fürstliche Landgericht ihm 1.327.839 Euro zu. Die Berufung der Stiftung beim Fürstlichen Obergericht in Vaduz (Urteil vom 14.02.2013) war ebenso wenig erfolgreich wie die von der Stiftung beim Obersten Fürstlichen Gerichtshof angebrachte Revision. Durch Urteil des Obersten Fürstlichen Gerichtshofs vom 05.07.2013 wurde die Stiftung zur Zahlung an den Vater der Klägerin in Höhe von 1.529.059,33 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 27.10.2006 verurteilt. Der dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerde half der Staatsgerichtshof des Fürstentums Liechtenstein als Verfassungsgerichtshof nicht ab (Urteil vom 29.10.2013). Zu den Einzelheiten wird auf die Urteile (Blatt 44 ff der Gerichtsakte) hingewiesen.
Der Vater der Klägerin setzte seine ausgeurteilten Ansprüche im Wege der Zwangsvollstreckung gegenüber der Stiftung durch. Das auf einem Schweizer Bankkonto angelegte Stiftungsvermögen in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro ist an den Vater der Klägerin ausgekehrt worden und die Stiftung infolgedessen vermögenslos (vgl. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Fürstlichen Landgerichts vom 11.03.2014, Blatt 274 der Gerichtsakte, sowie das Schreiben der Rechtsanwälte C. an den Prozessbevollmächtigten vom 10.07.2015, Blatt 276 der Gerichtsakte).
Am 31.05.2007 gab die Klägerin eine Erbschaftsteuererklärung ab.
Der Beklagte setzte die Erbschaftsteuer zunächst mit Bescheid vom 16.07.2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) auf 0 Euro fest. Durch Änderungsbescheid vom 14.04.2010 wurde die Erbschaftsteuer auf 137.408 Euro festgesetzt und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Verpflichtungen aus Pflichtteilsansprüchen des Vaters der Klägerin wurden in Höhe von 462.000 Euro berücksichtigt und in der Anlage zum Bescheid im Einzelnen erläutert. Gleichzeitig wurde die Klägerin gebeten, innerhalb von vier Wochen nach Erhalt des Bescheides Angaben zum Stand des Klageverfahrens wegen des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs zu machen und entsprechende Unterlagen in Kopie einzureichen.
Außerdem erging die Erbschaftsteuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 AO teilweise vorläufig hinsichtlich
- „der Höhe der Nachlassverbindlichkeiten (Beerdigungs- und Steuerberatungskosten),
- der Höhe des Pflichtteilsanspruchs,
- künftiger Erfüllungen der Schenkungen auf den Todesfall (Auszahlungen von Guthaben der Ibrador Stiftung an die Begünstigten laut Stiftungsurkunde).”
Weiter heißt es: „Sobald die Höhe dieser Besteuerungsgrundlagen endgültig feststeht, bitte ich entsprechende Nachweise beizubringen.” Zu...