Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung bei Entfernung von 30 km zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
Leitsatz (redaktionell)
Eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen nicht auseinanderfallen. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn der Steuerpflichtige seine Arbeitsstätte täglich aufsuchen kann, wovon bei üblichen Wegezeiten von etwa einer Stunde auszugehen ist (hier: Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Hauptwohnung ca. 30 km; Pkw-Fahrtzeit im Berufsverkehr von 50 bis 55 Minuten).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Tatbestand
Streitig ist, ob die Kläger im Jahr 2020 (Streitjahr) einen Anspruch auf Berücksichtigung von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung des Ehemannes (nachfolgend: Kläger) haben.
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt (§§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes, EStG). Sie wohnen zusammen in S (Anschrift: A-Str. 23, 00000 S) und bezogen im Streitjahr jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit sowie aus Vermietung und Verpachtung.
Der Kläger ist seit dem 01.08.2018 als Geschäftsführer bei der H GmbH & Co. KG in E (Anschrift im Streitjahr 2020: B-Str. 37, 00000 E) tätig. Im Streitjahr war er noch nicht an dieser Gesellschaft beteiligt. Die Entfernung zwischen der Wohnung des Klägers in S und seiner Arbeitsstätte in E beträgt ca. 30 km. Ab dem 13.02.2020 mietete der Kläger in E (Anschrift: C-Str.°2, 00000 E) eine Zweitwohnung mit einer Wohnfläche von 46,11 qm an. Zuvor hatte er eine Ferienwohnung in D angemietet.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger die folgenden Umzugskosten bzw. Mehraufwendungen für eine beruflich bedingte doppelte Haushaltsführung des Klägers geltend:
Transportkosten D – E: |
xxx EUR |
Doppelte Miete D – E: |
xxx EUR |
Sonstige Umzugskosten D – E: |
xxx EUR |
Wöchentliche Familienheimfahrten |
|
E – S: 40 × (33 km × 0,30 EUR) = |
xxx EUR |
Kosten der Unterkunft in E: |
xxx EUR |
Verpflegungsmehraufwendungen: 90 × 28,00 EUR = |
xxx EUR |
Einrichtungen und Hausrat: |
xxx EUR |
Gesamtbetrag: |
xxx EUR |
Weiter gaben die Kläger in der Einkommensteuererklärung an, der Kläger habe im Streitjahr an 226 Tagen Fahrten zwischen seiner Wohnung in E und seiner Tätigkeitsstätte in E (Entfernung gerundet: 1 km) mit dem PKW zurückgelegt.
Für die in der Steuererklärung angegebenen Fahrten nutzte der Kläger ein ihm von seiner Arbeitgeberin zur Verfügung gestelltes Dienstfahrzeug, das er auch privat nutzen durfte. Die Privatnutzung wurde nach der 1%-Regelung besteuert.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 vom 11.01.2022 setzte der Beklagte die Einkommensteuer gegenüber den Klägern auf xxx EUR fest. Die geltend gemachten Umzugskosten und Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung des Klägers berücksichtigte er nicht. Vielmehr erkannte er nur Werbungskosten des Klägers in Höhe von xxx EUR an, was zum Ansatz des Arbeitnehmerpauschbetrags führte. Zur Begründung war in dem Bescheid im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für einen beruflich bedingten Wohnungswechsel und eine beruflich bedingte doppelte Haushaltsführung aufgrund der nur geringen Entfernung zwischen S (Hauptwohnsitz) und E nicht vorlägen.
Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein. Sie verwiesen zur Begründung auf das Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF-Schreiben) vom 25.11.2020 (VV DEU BMF 2020-11-25 IV C 5-S 2353/19/10011:006, BStBl I 2020, 1228) wonach aus Vereinfachungsgründen von der beruflichen Veranlassung des Beziehens einer Zweitunterkunft oder -wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte ausgegangen werden könne, wenn der Weg von der Zweitunterkunft oder -wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte weniger als die Hälfte der Entfernung der kürzesten Straßenverbindung zwischen der Hauptwohnung (Mittelpunkt der Lebensinteressen) und der ersten Tätigkeitsstätte betrage. Weiter führten sie an, die Fahrtzeit betrage zwischen der Wohnung in S und der Tätigkeitsstätte des Klägers in E (Arbeitsbeginn um 7 Uhr) bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel laut Google-Recherche über 2 Stunden.
Mit Einspruchsentscheidung vom 06.05.2022, bei den Prozessbevollmächtigten der Kläger eingegangen am 10.05.2022, wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Kläger im Streitjahr einen eigenen Hausstand unterhalten hätten, welcher nicht außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte des Klägers belegen gewesen sei (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG). Aufgrund der nur geringen Entfernung von 30 km zwischen der Wohnung in S und der ersten Tätigkeitsstätte des Klägers in E könne nicht im Wege der Vereinfachung unterstellt werden, dass die Wohnung außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte belegen sei. Der Grenzwert von 50 km laut Tz. 102 des BMF-Schreibens vom 25.11.2020 (a.a.O.) werde insoweit nicht überschritten. Darüber hinaus könne der Kläger seine erste Tätigkeits...