Entscheidungsstichwort (Thema)
Qualifizierung einer USt-Forderung als Masseverbindlichkeit; Insolvenzverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Die streitgegenständliche USt-Forderung des beklagten FA qualifiziert nicht etwa deshalb als Masseverbindlichkeit, weil die Insolvenzschuldnerin im Rahmen des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens ausschließlich Masseverbindlichkeiten hat begründen können. Der erkennende Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des BGH an, nach dessen Auffassung die Ansicht, dass ein Schuldner im Rahmen eines vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens stets Masseverbindlichkeiten begründe, abzulehnen ist. Zudem würde eine ausschließliche Begründung von Masseverbindlichkeiten zur Auszehrung der künftigen Insolvenzmasse führen, was der vollständigen Befriedigung der Massegläubiger und der weiteren Betriebsfortführung und Sanierung als den obersten Zielen des Insolvenzverfahrens zuwiderlaufen würde.
Normenkette
InsO §§ 270a, 55, 1 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die während des vorläufigen Insolvenzverfahrens unter Eigenverwaltung der nunmehr durch den Kläger als Insolvenzverwalter verwalteten Insolvenzschuldnerin begründete Umsatzsteuer(USt)-Forderung für Februar 2017 als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren ist.
Nachdem die Insolvenzschuldnerin am 00.12.2016 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gemäß § 270a der Insolvenzordnung (InsO) beantragt hatte, wurde durch Beschluss des Amtsgerichts (AG) B vom selben Tag (Az.: xx IN xxx/16) der Kläger zum vorläufigen Sachwalter bestellt.
Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde durch Beschluss des AG B vom 1.9.2017 das Insolvenzverfahren eröffnet, wobei Eigenverwaltung angeordnet wurde. Nach dem Beschluss war die Insolvenzschuldnerin berechtigt, unter Aufsicht des Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen (§§ 270 bis 285 InsO). Zum Sachwalter wurde wiederum der Kläger bestellt.
Nachdem der Beklagte – neben anderen zunächst durch die Insolvenzschuldnerin bezahlten Steuerforderungen – die am 18.4.2017 geleistete USt-Vorauszahlung für Februar 2017 nach insolvenzrechtlicher Anfechtung unter dem 22.9.2017 an die Insolvenzschuldnerin wieder ausgekehrt hatte, setzte er durch Bescheid vom 24.11.2017 (adressiert an die Insolvenzschuldnerin unter deren Massesteuernummer) die USt-Vorauszahlung für Februar 2017 in – zwischen den Beteiligten unstreitiger – Höhe von 6.771,42 EUR fest. In der Anlage zu diesem Bescheid teilte er mit, dass durch diesen eine Masseverbindlichkeit nach §§ 270a, 270 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 55 Abs. 4 InsO festgesetzt werde. Zugleich meldete der Beklagte die streitgegenständliche Forderung aber auch als Insolvenzforderung an, da er sich über deren insolvenzrechtliche Qualifizierung nicht sicher war. Diese – auf ausdrückliche Weisung der Oberfinanzdirektion verfolgte – Doppelstrategie wurde auch offen gegenüber der Insolvenzschuldnerin und dem Kläger kommuniziert.
Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 27.11.2017, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (als Anlage zur Gerichtsakte genommener Ordner „Rechtsbehelfsverfahren” des Beklagten), veräußerte die Insolvenzschuldnerin wesentliche dem Betrieb ihres Unternehmens dienende Aktiva an einen Erwerber zum Zwecke der Fortführung des Geschäftsbetriebes.
Durch Beschluss vom 00.01.2018 hob das AG B die Anordnung der Eigenverwaltung auf und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Bereits zuvor war beim Beklagten die Zahlung eines auf Steuerverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin entfallenden Gesamtbetrages i.H.v. 250.022,60 EUR eingegangen, der auch den auf die streitgegenständliche USt-Forderung entfallenden Betrag umfasste.
Nachdem der gegen den Bescheid vom 24.11.2017 noch durch die Insolvenzschuldnerin in Eigenverwaltung erhobene Einspruch erfolglos blieb, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Zur Begründung trägt er vor: Der Bescheid des Beklagten vom 24.11.2017 sei unwirksam, da die darin titulierte USt-Steuerforderung als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anzumelden sei. Bei der streitgegenständlichen Forderung handele es sich nicht um eine Masseverbindlichkeit, da die Vorschrift des § 55 Abs. 4 InsO, nach welcher Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit gelten, auf die vorläufige Eigenverwaltung weder unmittelbar, noch analog anwendbar sei. Da § 55 Abs. 4 InsO dem Wortlaut nach lediglich auf Verbindlichkeiten anwendbar sei, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden seien, scheide eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift auf vom Schuldner im vorläufi...