Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzen der Mitteilungspflicht der Finanzbehörden bei unbefugtem Führen des Steuerberatertitels und Verletzung des Steuergeheimnisses
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie und des Schutzgehalts des Steuergeheimnisses kann ein Steuerpflichtiger, der sich in seinem subjektiven Recht auf Wahrung steuerlicher Geheimnisse verletzt sieht, den behaupteten Verstoß gegen das Steuergeheimnis im Wege der Feststellungsklage gerichtlich geltend machen.
2. Die Offenbarung personenbezogener Daten gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO i.V.m. § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StBerG ist nach dem Grundsatz der Zweckgebundenheit nicht unbeschränkt, sondern nur in dem Umfang zulässig, der zur Erreichung des Zwecks des Offenbarungstatbestandes (hier: Aufnahme von Ermittlungen im Hinblick auf den Verdacht des Titelmissbrauchs i.S.v. § 132a Abs. 1 StGB durch unberechtigtes Führen der Berufsbezeichnung „Steuerberater”) notwendig ist.
3. Werden für Ermittlungen im Hinblick auf eine Strafbarkeit nach § 132a Abs. 1 StGB (Titelmissbrauch) bezogen auf die Verwendung von Berufstiteln in Schriftsätzen personenbezogene Daten, die über den Inhalt dessen hinausgehen, was für die Strafverfolgung erforderlich ist (Angaben zu Verfasser und Adressaten der Schriftsätze, Briefkopf, Datum der Schriftsatzerstellung, Unterschrift) offenbart, liegt eine Verletzung des Steuergeheimnisses vor. Die Offenlegung weiterer persönlicher Daten oder wirtschaftlicher Verhältnisse ist für die Prüfung einer potentiellen Strafbarkeit nach § 132a Abs. 1 StGB nicht erforderlich.
Normenkette
StBerG § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 1; AO § 30 Abs. 4 Nr. 1 bis 5; FGO § 41 Abs. 1; GG Art. 19 Abs. 4; StGB § 132a Abs. 1; StBerG § 5 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger (Kl.) begehrt die Feststellung, dass der Beklagte (Bekl.) mit einer auf § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Steuerberatungsgesetz (StBerG) gestützten und wegen des Verdachts des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen erfolgten Weiterleitung von Unterlagen an das Finanzamt (FA) für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung N-Stadt gegen das Steuergeheimnis in § 30 Abgabenordnung (AO) verstoßen hat.
Im Parallelverfahren 4 K 1607/19 StB begehrt der Kl. die Feststellung, dass das dort beklagte FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung N-Stadt mit der Weiterleitung dieser und weiterer Unterlagen an die Staatsanwaltschaft N-Stadt gegen das Steuergeheimnis verstoßen hat.
Der Kl. ist als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätig.
Mit Wirkung vom xx.08.2018 widerrief die Steuerberaterkammer X die Bestellung des Kl. zum Steuerberater.
Am 26.09.2018 veröffentlichte die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen (OFD) in einer über das Informationssystem der Finanzverwaltung kommunizierten Verfügung, dass der Kl. – neben anderen genannten Personen – seit dem xx.08.2018 nicht mehr berechtigt sei, den Steuerberatertitel zu tragen (vgl. Bl. 10 der Gerichtsakte). Die OFD führte gleichzeitig aus, dass der Kl. als Wirtschaftsprüfer aber weiterhin zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sei. Sie wies in der Verfügung u.a. auf die §§ 5, 160, 161 StBerG sowie den „Leitfaden zum Steuerberatungsrecht – Praxishandbuch” Tz. 5 hin. Nach diesem Leitfaden soll im Interesse einer einheitlichen Handhabung bei einem Verdacht eines unbefugten Führens von Berufstiteln nicht direkt die grundsätzlich zuständige Staatsanwaltschaft, sondern zunächst das jeweils örtlich zuständige FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung informiert werden, welches dann wiederum über eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft gemäß § 5 Abs. 3 StBerG entscheiden und gleichzeitig weitere mögliche Straf- und Bußgeldtatbestände prüfen soll (vgl. Auszug Leitfaden, Bl. 25 der Gerichtsakte).
Nachdem die Verfügung der OFD vom 26.09.2018 beim Bekl. eingegangen war, informierte dieser seine Mitarbeiter hausintern mit E-Mail vom 03.10.2018 darüber, dass der Kl. den Titel „Steuerberater” nicht mehr zu tragen berechtigt sei und dass bei entsprechenden Verstößen („Titelmissbrauch”) Rücksprache mit der Straf- und Bußgeldsachenstelle zu halten sei (vgl. Bl. 11 der Gerichtsakte).
Bereits am 25.09.2018 – mithin einen Tag vor Veröffentlichung der Verfügung der OFD bezüglich des Widerrufs der Steuerberaterbestellung – wurde der Kl. durch die Steuerberaterkammer X erneut zum Steuerberater bestellt. Über diesen Umstand informierte die OFD die Finanzämter und damit auch den Bekl. erst am 15.04.2019 (Bl. 27 der Gerichtsakte).
Mit Schreiben vom 23.10.2018 übersandte der Bekl. – vertreten durch seinen Vorsteher – einen Schriftsatz des Kl. vom 05.10.2018, in dem der Kl. im Briefkopf den Titel „Steuerberater” verwendet hatte, an das FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung N-Stadt. Unter Hinweis auf die Verfügung der OFD vom 26.09.2018 führte der Bekl. aus, der Kl. sei nicht mehr befugt, unter dem Titel „Steuerberater” aufzutreten. Gleichzeitig bat der Bekl. das FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung N-Stadt um Einleitung eines Bußgeldverfahrens nach § 160 StBerG. E...