Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlüberweisung nach Mitteilung neuer Kontoverbindung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Teilt der Steuerpflichtige dem Finanzamt eine neue Bankverbindung mit, kann dieses ab Eingang der Mitteilung nur noch auf das neue Konto mit schuldbefreiender Wirkung zahlen. Etwas anderes gilt nur, wenn der fehlgeleitete Erstattungsbetrag in die Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen gelangt oder für diesen verwendet wird.

2) Die Gefahr einer fehlgeleiteten Überweisung trägt grundsätzlich das Finanzamt.

 

Normenkette

AO §§ 47, 224 Abs. 3 S. 1, § 218 Abs. 2; BGB § 270 Abs. 1, Abs. 3; AO § 37 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit zweier Abrechnungsbescheide.

Der Kläger reichte die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 am 12.09.2011 beim Finanzamt U ein, welches die Erklärung zuständigkeitshalber an den Beklagten weiterleitete. Auf Seite 1 des Mantelbogens gab der Kläger eine Bankverbindung bei der Bank 1 an.

Die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2007 und 2008 reichte der Kläger im Dezember 2011 beim Finanzamt U ein; diese Erklärungen wurden im Januar 2012 zuständigkeitshalber an den Beklagten weitergeleitet. Auf der Seite 1 des Mantelbogens dieser Erklärungen machte der Kläger die folgenden Angaben zur Bankverbindung: Kontonummer: 123, Bankleitzahl: 456, Bank 2. Bei diesem Konto handelte es sich um ein Konto der Mutter des Klägers.

Am 18.03.2014 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid 2008, der einen Steuererstattungsanspruch in Höhe von 2.875,05 € zugunsten des Klägers auswies. Unter dem Abrechnungsteil dieses Bescheides findet sich der folgende Hinweis: „Bitte teilen Sie dem Finanzamt umgehend schriftlich Ihre Bankverbindung mit.” Ebenfalls am 18.03.2014 erging ein Einkommensteuerbescheid 2009, der zugunsten des Klägers einen Steuererstattungsanspruch in Höhe von 1.155,39 € auswies. Unter dem Abrechnungsteil des Einkommensteuerbescheides 2009 findet sich die folgende Bemerkung: „Sie erhalten in den nächsten Tagen einen Verrechnungsscheck. Für zukünftige Erstattungen teilen Sie dem Finanzamt bitte umgehend schriftlich Ihre Bankverbindung mit.” Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vorgenannten Einkommensteuerbescheide Bezug genommen.

Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 03.04.2014, welches bei dem Beklagten am 07.04.2014 eingegangen ist, an diesen und erklärte, dass der angekündigte Verrechnungsscheck bislang nicht eingegangen sei; zudem teilte er ihm eine Bankverbindung bei der Bank 3 mit.

Nachdem im Hause des Beklagten am 18.03.2014 und am 02.04.2014 erfolglos maschinelle Erstattungsversuche in Bezug auf die zugunsten des Klägers festgesetzten Erstattungsansprüche unternommen worden waren, griff die Erhebungsstelle nach einer internen Mitteilung der Rechtsbehelfsstelle auf die vom Kläger in den Steuererklärungen 2007 und 2008 angegebene Bankverbindung bei der Bank 2 zurück und wies die in den Einkommensteuerbescheiden 2008 und 2009 jeweils ausgewiesenen Steuererstattungen am 07.04.2014 – in Unkenntnis des am 07.04.2014 eingegangenen Schreibens des Klägers vom 03.04.2014 – zur Überweisung an. Die Überweisungen wurden am 08.04.2014 an die Bank 2 weitergeleitet. Die Erstattungsbeträge wurden durch die Bank nicht zurücküberwiesen.

Nachdem der Kläger weiterhin um Zahlung der in den Steuerbescheiden ausgewiesenen Erstattungsbeträge gebeten hatte, erließ der Beklagte am 23.07.2014 zwei Abrechnungsbescheide nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO), zum einen bezüglich der Einkommensteuer 2008 und zum anderen bezüglich der Einkommensteuer 2009. Darin äußerte der Beklagte die Auffassung, dass die in den Bescheiden ausgewiesenen Erstattungsansprüche des Klägers durch Überweisung auf das vom Kläger zuletzt in seinen Einkommensteuererklärungen angegebene Konto bei der Bank 2 erloschen seien. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Abrechnungsbescheide Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 07.08.2014 legte der Kläger Einspruch gegen die Abrechnungsbescheide ein und vertrat die Auffassung, dass an ihn nicht mit schuldbefreiender Wirkung geleistet worden sei. Das Finanzamt sei an Angaben, welche es gegenüber dem Steuerpflichtigen in einem Bescheid mache, gebunden; schließlich schenke jeder Steuerpflichtige den dort getätigten Angaben entsprechendes Vertrauen. Er habe den Aufforderungen in den Steuerbescheiden entsprechend gehandelt und seine aktuelle Kontoverbindung mitgeteilt. In Bezug auf die Erstattung der Einkommensteuer 2009 habe er einen Verrechnungsscheck erwartet und für zukünftige Erstattungen die aktuell geltende Bankverbindung bei der Bank 3 mitgeteilt. Durch die entsprechenden Hinweise in den Abrechnungsbescheiden sei ihm eindeutig mitgeteilt worden, dass das Finanzamt nicht auf ein Konto erstatten, sondern zum einen einen Verrechnungsscheck erteilen werde und zum anderen auf die Antwort des Klägers und die Mitteilung einer Kontoverbindung warte. Dass sich die Angaben des Klägers in seinem Schreiben vom 03.04.2014 mit der Erstattung vom 08.04.2014 überschni...

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