Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Auslegung eines Vorläufigkeitsvermerks
Leitsatz (redaktionell)
Ergeht ein Einkommensteuerbescheid "vorläufig in Bezug auf die Ermittlung der Einkünfte gem. § 17 EStG", so handelt es sich um einen zulässigen Vorläufigkeitsvermerk wegen einer tatsächlichen Ungewissheit.
Der Zulässigkeit eines Vorläufigkeitsvermerks steht nicht entgegen, dass die Tatsachen, die für die Ermittlung der Einkünfte aus § 17 EStG benötigt werden, schon feststehen.
Beträge, die anteilig auf eine Kapitalherabsetzung entfallen und noch dem Verkäufer der Beteiligung zustehen, stellen keine Anschaffungskosten der Beteiligung dar, weil es sich nicht um eigene Aufwendungen des Käufers handelt.
Normenkette
AO 1977 § 165 Abs. 2, 1, 1 S. 3; EStG § 17 Abs. 2, 2 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob das Finanzamt den angefochtenen Einkommensteuer(ESt)-Bescheid gem. § 165 Abgabenordnung (AO) ändern durfte und wenn ja, in welcher Höhe Anschaffungskosten für einen GmbH-Anteil vorliegen.
Am Stammkapital der W. GmbH (früher F. W. GmbH) in Höhe von 14.100.000 DM war ursprünglich nur die F. AB, eine schwedische Gesellschaft, beteiligt. Am 12.09.1984 (URNr. 533/1984 des Notars …) wurden die Geschäftsanteile der W. GmbH in Höhe von 14.100.000 DM zusammengelegt. Anschließend wurde das Stammkapital der Gesellschaft von 14.100.000 DM auf 9.100.000 DM herabgesetzt. Die Herabsetzung diente der teilweisen Zurückzahlung von Stammeinlagen. Der zurückzuzahlende Betrag von 5 Millionen DM sollte einem Verrechnungskonto der Gesellschafterin F. AB gutgebracht werden.
Durch notariellen Vertrag ebenfalls vom 12.09.1984 (URNr. 534/1984 des Notars …) erwarb der Kl. einen Geschäftsanteil an der W. GmbH im Nennwert von 3.172.500 DM (Nennwert nach der Kapitalherabsetzung: 2.047.500 DM) sowie einen weiteren Geschäftsanteil in Höhe von 682.500 DM (nach der Kapitalherabsetzung). Der Kaufpreis belief sich auf insgesamt 843.750 DM und war in sechs gleichen jährlichen Raten, beginnend mit dem 30.06.1988, zu zahlen. Durch weiteren Vertrag vom 27.01.1986 wurde der von dem Kl. zu zahlende Kaufpreis für die Geschäftsanteile auf 750.000 DM, zahlbar bis zum 10.03.1986, abgeändert. Unter I dieses Vertrages ist darauf hingewiesen, daß der aus der Kapitalherabsetzung frei gewordene Betrag von 3 Millionen DM zwischenzeitlich an die F. AB (jetzt I … AB …) gezahlt worden sei. Der aus der Kapitalherabsetzung noch offenstehende Betrag von 2 Millionen DM sei bis zum 04.02.1986 von der W. GmbH an Kinnevik zu zahlen.
Durch Vertrag vom 05.12.1991 verkaufte der Kl. seinen Geschäftsanteil an der W. GmbH an die Stahlwerke … GmbH & Co KG (KG) zum Kaufpreis von 7.500.000 DM. Von diesem Betrag wurde gem. § 3 Abs. 2 des Vertrages zunächst ein Betrag von 900.000 DM im Hinblick auf möglicherweise bestehende Kontaminationsschäden einbehalten. Die KG war darüber hinaus berechtigt, Verbindlichkeiten des Kl. gegenüber der W. GmbH in Anrechnung auf den geschuldeten Kaufpreis zu übernehmen. Dies galt insbesondere auch für die Verpflichtung des Kl. gegenüber der W. GmbH zur Leistung eines Gesellschafterzuschusses in Höhe von anteilig 4.500.000 DM.
Nach Eingang der ESt-Erklärung für 1991 erließ das Finanzamt am 14.07.1992 einen ESt-Bescheid für 1991 und erklärte den Bescheid nach § 165 AO im Hinblick auf die Anhängigkeit von Verfassungsbeschwerden bzw. Revisionen für vorläufig hinsichtlich verschiedener im einzelnen im Steuerbescheid genannter Punkte.
Aufgrund eines Einspruchs gegen diesen Bescheid erließ das Finanzamt am 01.09.1992 einen Änderungsbescheid. Auch gegen diesen Änderungsbescheid legten die Kl. Einspruch ein und machten erstmals einen Verlust gem. § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) aus dem Verkauf von Anteilen an der W. GmbH geltend, und zwar zunächst in Höhe von 47.478 DM. Der Veräußerungsverlust ergab sich aus der Kaufpreiszahlung abzüglich der vom Kl. errechneten Anschaffungs- und Veräußerungskosten. In den geltend gemachten Anschaffungskosten sind dabei die anteilig auf den Kl. entfallenden Beträge aus der Herabsetzung des Stammkapitals der W. GmbH enthalten (675.000 DM und 600.000 DM = 1.275.000 DM). Die Kopien der Verträge waren der Ermittlung des Veräußerungsverlustes durch die Kl. beigefügt. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Berechnung, Bl. 42 f. der ESt-Akte sowie auf die Verträge, Bl. 37 ff. der Vertragsakte.
Mit Schreiben vom 08.10.1992 teilte das Finanzamt den Kl. mit, daß es beabsichtige, den Bescheid nach § 164 AO unter den Vorbehalt der Nachprüfung zu stellen, da eine weitere Überprüfung des Sachverhalts nicht ausgeschlossen sei. Es bat die Kl. um Zustimmung. Die Kl. teilten mit, sie seien mit dem Erlaß des Bescheids unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO zwar einverstanden. Sie hielten es aber für ausreichend, wenn der Bescheid hinsichtlich der Höhe des Veräußerungsverlustes gem. § 165 AO vorläufig ergehe, da der Bescheid nur bezüglich dieses Sachverhalts ggf. einer weiteren ...