Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1995
Tenor
Der geänderte Einkommensteuerbescheid 1995 vom 12.08.1996 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung werden nach Maßgabe der Urteilsgründe abgeändert. Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Gründe
Streitig ist der Abzug von Aufwendungen für den Erwerb eines Führerscheins der Klasse 2 als Werbungskosten (WK) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Der 1970 geborene Kläger (Kl.) ist bei der Firma … als Möbeltischler beschäftigt. Neben der Arbeit in der Tischlerei gehört es u. a. zu den Aufgaben des Kl., Materialien zum Innenausbau zur Baustelle zu transportieren und an Ort und Stelle zu verarbeiten. Der Kl. transportiert auch hergestellte Möbel sowie Einbaumöbel zum Aufbauort. Der Arbeitgeber verfügt zum Transport der Möbel über einen PKW-Kombi und einen sogenannten Multi-Van vom Typ Chrysler Voyager, der nach Ausbau der Sitzbänke wie ein Kleintransporter benutzt wird. Beide Fahrzeuge haben Anhängerkupplungen für den ebenfalls vorhandenen Zweiachsanhänger mit Plane und Spriegel (Stahlrohrgerüst zur Stabilisierung der Plane).
Im Streitjahr 1995 erzielte der Kl. einen Arbeitslohn in Höhe von 49.029,– DM. U.a. machte er mit der Einkommensteuer (ESt-)Erklärung 1995 Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 (Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 t) in Höhe von insgesamt 2.651,– DM (Fahrschule 2.610,– DM, Sehtest 11,05 DM, Fahrtkosten 29,12 DM) geltend. Hierzu legte er eine Bescheinigung des Arbeitgebers vom 22.09.1995 vor, die wie folgt lautet:
Hiermit bescheinigen wir, daß Herr … den von ihm erworbenen Führerschein Klasse –2– in Zukunft beruflich nutzen wird; da wir beabsichtigen, uns in nächster Zeit einen LKW über 7,5 t zulässiges Gesamtgewicht anzuschaffen. Herr … wäre damit in der Lage, dieses Fahrzeug zu führen und hätte somit zur Sicherung seines Arbeitsplatzes beigetragen.
Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 als, WK bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ab. Auch der Einspruch blieb im Streitpunkt ohne Erfolg, nachdem das FA festgestellt hatte, daß auf den Arbeitgeber des Kl. am 26.09.1996 noch kein LKW zugelassen worden war.
In der Einspruchsentscheidung (EE) vom 27.09.1996 führte das FA u. a. aus, beim Kl. bestehe kein hinreichend konkreter Zusammenhang zwischen den Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins und der Berufsausübung des Kl.. Die allgemeine Fähigkeit, für den Arbeitgeber einen LKW mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 7,5 t fahren zu können, stelle keine ausreichende Tatsache im Sinne der Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) dar. Maßgebend für das FA war, daß der Arbeitgeber noch keinen entsprechenden LKW erworben hatte. Im Streitfall müßten daher die Grundsätze für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen zum Erwerb des Führerscheins der Klasse 3 angewendet werden. Danach seien Führerscheinkosten grundsätzlich Kosten der privaten Lebensführung, soweit nicht eine unmittelbare Notwendigkeit für die Berufsausübung bestehe. Entgegen der Auffassung des Kl. sei nämlich eine private Nutzung eines Führerscheins der Klasse 2 denkbar, z. B. im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr, des Deutschen Roten Kreuzes oder des Technischen Hilfswerks.
Mit der dagegen erhobenen Klage macht der Kl. geltend, der Arbeitgeber habe ausdrücklich bestätigt, daß der Erwerb des Führerscheins der Sicherung des Arbeitsplatzes diene. Hierzu legte der Kl. eine weitere Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 22.10.1996 vor, in der mitgeteilt wird, ein LKW, für den ein Führerschein der Klasse 2 erforderlich gewesen wäre, sei vorerst nicht angeschafft worden, weil größere Aufträge ausgeblieben seien und die allgemein schlechte konjunkturelle Lage keine Besserung zeige. Der Arbeitgeber stellte eine Lohnerhöhung für den Fall in Aussicht, daß der Kl. tatsächlich den Führerschein der Klasse 2 im Betrieb nutzen könne.
Der Kl. beantragt,
bei der ESt 1995 weitere WK in Höhe von 2.651,– DM zu berücksichtigen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt es an, es könne dahinstehen, ob der Kl. den Führerschein der Klasse 2 privat nutze, da jedenfalls keine berufliche Nutzung des Führerscheins gegeben sei. Dies ergebe sich auch aus der Bescheinigung des Arbeitgebers vom 22.10.1996.
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage ist begründet.
Dem Kl. sind für den Erwerb des LKW-Führerscheins Aufwendungen in Höhe von 2.651,– DM entstanden, die als WK...