Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der nachträglichen Änderung der Höhe eines Veräußerungsverlustes zugunsten des Stpfl.; Vorläufigkeitsvermerk
Leitsatz (redaktionell)
1. Vorläufige Steuerfestsetzungen können durch weitere vorläufige Festsetzungen ersetzt oder geändert werden. Ein Vorläufigkeitsvermerk bleibt als Nebenbestimmung - auch in nachfolgenden Änderungsbescheiden - so lange wirksam, bis er ausdrücklich durch eine selbständige Verfügung aufgehoben wird.
2. Wird allerdings in einem Änderungsbescheid ein neu gefasster Vorläufigkeitsvermerk aufgenommen, so kann darin die Aufhebung des in dem vorangegangenen Bescheid - ggf. weitergehenden - Vorläufigkeitsvermerks zu sehen sein.
Normenkette
AO § 165 Abs. 2 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Höhe eines Veräußerungsverlustes noch nachträglich zu Gunsten des Klägers änderbar ist.
Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer der im April 2003 gegründeten, inzwischen insolventen V-GmbH mit Sitz in W-Stadt. Vom ursprünglichen Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von EUR 200.000 hielt er einen Anteil von EUR 80.000. Nachdem er mit Wirkung zum 01.07.2003 sein Einzelunternehmen zu Buchwerten in die GmbH eingebracht und diese ihr Stammkapital auf EUR 400.000 erhöht hatte, war der Kläger mit einem Geschäftsanteil von EUR 160.000 (40 v.H.) an der GmbH beteiligt. Auf den notariellen Verschmelzungs- und Einbringungsvertrag vom 18.10.2003 wird insoweit Bezug genommen.
Die Kläger hielt die Beteiligung an der V-GmbH im Privatvermögen.
Der Jahresfehlbetrag der GmbH für das Rumpf-Wirtschaftsjahr 2003 betrug ca. EUR 426.000, derjenige für das Wirtschaftjahr 2004 ca. EUR 1.335.000. Anfang des Jahres 2005 fiel die GmbH in die Insolvenz. Der Kläger hatte sich für diverse Verbindlichkeiten der GmbH verbürgt.
Mit notariellen Verträgen jeweils vom 29.12.2004 veräußerte der Kläger seinen Gesellschaftsanteil, der zuvor in zwei Teilanteile von EUR 136.000 und EUR 24.000 geteilt worden war, zu Kaufpreisen von EUR 4.000 und EUR 500 an den Gründungsgesellschafter Q. sowie dessen Sohn. Übertragungsstichtag war der 30.12.2004. Ferner veräußerte der Kläger an den Gründungsgesellschafter Q. eine ihm zustehende Forderung aus einem eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen in Höhe von
EUR 17.288,41 zum Kaufpreis von EUR 4.144,21. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verträge vom 29.12.2004 verwiesen.
In seiner im Februar 2005 abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2004 erklärte der Kläger neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Geschäftsführergehalt) und negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Verlust aus der Veräußerung der GmbH-Beteiligung in Höhe von EUR 168.644,20. Hierbei stellte er dem Verkaufspreis von insgesamt EUR 8.644,21 seine gesamten Anschaffungskosten auf die Beteiligung in Höhe von EUR 177.288,41 gegenüber.
Der Beklagte erkannte den Verlust im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 27.04.2005 dem Grunde und der Höhe nach an, vertrat aber die Auffassung, dass dieser dem Halbeinkünfteverfahren unterliege (EUR 84.322). Die Steuerfestsetzung belief sich bei einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte von EUR xxxxx auf EUR Null. Im Tenor heißt es, der Bescheid sei nach § 165 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufig. In den Erläuterungen ist hierzu angeführt, dass die Steuerfestsetzung im Hinblick von Verfassungsbeschwerden bzw. Revisionen bezüglich dort näher benannter Streitfragen nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig erfolge.
Der Kläger erhob gegen die Steuerfestsetzung Einspruch und beanstandete die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens hinsichtlich seines Veräußerungsverlustes. Das Einspruchsverfahren wurde auf Anregung des Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Änderungsbescheid vom 07.09.2005 einvernehmlich beendet, indem die Steuerfestsetzung für das Streitjahr 2004 im Hinblick auf die durch drohende Bürgschaftsinanspruchnahmen bestehende Ungewissheit über die endgültige Höhe des Veräußerungsverlustes, der weiterhin mit EUR 84.322 berücksichtigt wurde, vorläufig gemäß § 165 AO erfolgte. Im Erläuterungsteil des Bescheides vom 07.09.2005 findet sich dementsprechend folgender Vermerk:
„Der Bescheid ergeht vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weil z.Z. die Höhe des Verlustes aus der Anteilsveräußerung an der V-GmbH nicht abschließend beurteilt werden kann.”
Im Übrigen erging die Steuerfestsetzung – wie auch im vorangegangen Bescheid vom 27.04.2005 – vorläufig aus den in § 165 Abs. 1 Satz 2 AO genannten, im Einzelnen im Erläuterungsteil aufgeführten Gründen. Im Tenor heißt es wiederum, dass der Bescheid nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig sei. Die Einkommensteuer 2004 wurde aus vorliegend nicht streitigen Gründen auf EUR 123 heraufgesetzt.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 09.09.2005 Einspruch ein und führte an, die Kürzung des Vorwegabzugs bei den Vorsorgeaufwendungen sei mangels bestehender Rentenversicherungspflicht rechtswidrig. Der Beklagte half dem Einspruchsb...