Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang eines Vorläufigkeitsvermerks nach § 165 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Erlässt das FA einen ESt-Bescheid, der hinsichtlich der Einkünfteerzielungsabsicht gemäß § 165 AO vorläufig ist, und macht es dabei deutlich, dass der Vorläufigkeitsvermerk nicht auf nachrangige Fragen wie z.B. die bereits geprüfte Höhe der Betriebsausgaben erstreckt werden soll, erwachsen die bereits geprüften Besteuerungsgrundlagen in Bestandskraft und sind damit einer Änderung nach § 165 AO nicht mehr zugänglich.

2) Dies gilt auch, wenn der Bescheid zunächst auch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO stand. Eine Verpflichtung des FA, den Stpfl. im Zuge der Aufhebung des Vorbehalts des Nachprüfung auf die fortan nur noch in Bezug auf die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht offene Veranlagung hinzuweisen, besteht nicht.

 

Normenkette

AO §§ 165, 164

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob der wegen Überprüfung der Einkunftserzielungsabsicht vorläufige Einkommensteuerbescheid 2006 (Streitjahr) auch wegen höherer Aufwendungen für ein Arbeitszimmer nach § 165 Abgabenordnung (AO) geändert werden kann.

Der 1958 geborene und in O wohnhafte Kläger wird im Streitjahr allein zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als angestellter Wissenschaftler. Außerdem erzielte er Einkünfte aus Vortrags- und Autorentätigkeit. Er war in dieser Eigenschaft als Privatdozent an der Universität R tätig, die ihn in 2004 zum außerplanmäßigen Professor der Medizin ernannte. Der Kläger war nach der Aktenlage im Streitjahr steuerlich nicht vertreten.

In der für das Streitjahr eingereichten Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger unter Hinweis auf die beigefügte Gewinnermittlung Verluste i.H.v. 12.272 EUR aus seiner selbständigen Tätigkeit. Dabei machte er ausweislich der Anlage III – 4 für das 46 m² große Büro in seiner Wohnung in L (104 m²) Aufwendungen i.H.v. 3.673,20 EUR (8.304,75 EUR × 44,23 %) als Betriebsausgaben geltend. Ausweislich der Anlage zum Einkommensteuerbescheid vom 08.01.2008, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, berücksichtigte der Beklagte diese Einkünfte unter Kürzung verschiedener Betriebsausgaben nur i.H.v. . /. 4.481 EUR. In der Anlage zu dem Bescheid berechnete der Beklagte diesen Betrag und begründete die vorgenommenen Kürzungen. U.a. ließ er die geltend gemachten Aufwendungen für das Arbeitszimmer nur i.H.v. 1.250 EUR zum Abzug zu.

Der Einkommensteuerbescheid 2006 vom 08.01.2008 erging zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Außerdem erging er u.a. hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit vorläufig, „weil z.Z. die Einkunftserzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann”. Der Beklagte hob den Vorbehalt der Nachprüfung mit Bescheid vom 22.04.2008 auf. Mit Bescheid vom 08.02.2011 erklärte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2006 u.a. hinsichtlich der Einkunftserzielungsabsicht für endgültig. Er erkannte damit die bisher berücksichtigten Verluste i.H.v. 4.481 EUR endgültig an.

Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein und beantragte die Kosten für die Wohnung in L i.H.v. 8.304,75 EUR (12 × 601,29 EUR zzgl. Nebenkosten i.H.v. 1.089,27 EUR) in vollem Umfang anzuerkennen. Zur Begründung führte er aus, der Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit umfasse auch die Frage, ob die geltend gemachten Betriebsausgaben im Rahmen dieser Einkunftsart abzugsfähig seien. Durch den Vorläufigkeitsvermerk seien generell alle, mit den Einkünften aus selbständiger Arbeit zusammenhängenden Feststellungen erfasst. Es sei damit keine materielle Bestandskraft hinsichtlich einzelner Besteuerungsgrundlagen eingetreten. Dies ergebe sich z.B. aus den BFH-Entscheidungen vom 02.03.2000 VI R 48/97, BStBl. II 2000, 282 und 22.12.1987 IV B 174/86, BStBl. II 1988, 234. Nach diesen Entscheidungen erwachse nur die Steuerfestsetzung in Bestandskraft. Bei Überprüfung der vorläufig zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen könnten auch andere Fehlbeurteilungen berichtigt werden.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg Der Beklagte verwies in seiner Einspruchsentscheidung vom 07.03.2012 auf die BFH-Entscheidungen vom 12.07.2007 X R 22/05, BStBl. II 2008, 2, vom 13.10.2009 X B 55/09, BFH/NV 2010, 168, vom 19.10.1999 IX R 23/98, BStBl. II 2000, 282 und vom 29.08.2001 VIII R 1/01, BFH/NV 2002, 465. Im Streitfall ergebe sich aus der dem Bescheid beigefügten Anlage eindeutig, dass allein die Einkunftserzielungsabsicht noch nicht habe abschließend beurteilt werden können. Hinsichtlich der Höhe der Einkünfte sei jedoch eine abschließende Prüfung erfolgt. Deren Ergebnis sei dem Kläger in der Anlage zum Steuerbescheid detailliert mitgeteilt worden.

Hiergegen richtet sich die anhängige Klage, mit der der Kläger sein Begehren unter Hinweis auf seinen Schriftsatz vom 01.04.2011 weiterverfolgt. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass der Kläger die Steuererklärung für das Streitjahr allein gefertigt und die beiden Steuerbescheide vom 08.01. und ...

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