Entscheidungsstichwort (Thema)
Kfz-Unfall bei geplantem Arztbesuch vor Arbeitsbeginn. Einkommensteuer 1980
Leitsatz (amtlich)
Will ein Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit einen Arzt aufsuchen und ist hierzu nur ein kurzer Umweg von der üblichen Fahrstrecke nötig, so sind die Kosten eines Kfz-Unfalls, der sich noch vor Beginn der Umwegstrecke, auf dem gewöhnlichem Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte, ereignet hat, als Werbungskosten bei den nichtselbständigen Einkünften abziehbar. Das private Motiv „Arztbesuch” würde den Werbungskostenabzug in diesem Fall nur ausschließen, wenn sich der Unfall auf der Umwegstrecke ereignet hätte.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 4, § 12 Nr. 1
Tenor
Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25.10.1982 und unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1980 vom 28.4.1982 wird die Einkommensteuer 1980 anderweitig auf 9.496 DM festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens werden zu 83 v.H. dem Beklagten und zu 17 v. H. dem Kläger auferlegt. Der Streitwert beträgt bis zur Antragstellung in der mündlichen Verhandlung 1.470 DM und danach 1.157 DM. Die Zuziehung der Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung von Kfz-Unfallkosten als Werbungskosten (WK) bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Der Kläger (Kl.) war bis zum 30.6.1980 als Maurerpolier im Angestelltenverhältnis bei einer Baufirma in G. tätig. Er beabsichtigte, am Montag, dem 19.5.1930, den Arzt Dr. B. in S., …straße 5, wegen einer während der Arbeit erlittenen Schulterverletzung aufzusuchen und dann anschließend zu seiner Arbeitsstelle nach G. zu fahren. Am Freitag, dem 16.5.1980, hatte der Kl. seinem Kollegen Erich …mitgeteilt, daß er am 19.5.1980 erst gegen 11 Uhr auf der Baustelle N. in G. sein werde. Er bat den Kollegen, während der Zeit seiner Abwesenheit die Aufsicht über die Baustelle zu übernehmen. Auf der Fahrt zum Arzt am 19.5.1980 verunglückte der Kl. gegen 10 Uhr mit seinem Pkw Fiat 127 auf der B 51 zwischen H. und S. in Richtung S.. Teile eines losen Kanaldeckels waren gegen das Fahrzeug des Kl. geschleudert worden und hatten dieses beschädigt. Der Unfall ereignete sich auf einem Streckenabschnitt, den der Kl, gewöhnlich benutzen mußte, um zu seiner Arbeitsstätte in G. zu gelangen. Nach dem Unfall verständigte der Kl. fernmündlich seinen Arbeitgeber und bat zur Regulierung der Unfallangelegenheit um einen Tag Urlaub. Nach Erledigung der Unfallformalitäten besorgte sich der Kl. ein Mietfahrzeug und erschien am Unfalltage doch noch gegen 16 Uhr auf der Saustelle. Der Arzt Dr. B. wurde am Unfalltage vom Kl. nicht mehr aufgesucht.
Eine Zivilklage des Kl., mit der er gegenüber dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe Unfallkosten in Höhe von 2.599,05 DM geltend gemacht hatte, wurde durch Urteil des Landgerichts E. vom 23.4.1981 abgewiesen.
In seiner Einkommensteuer (ESt)-Erklärung 1980 machte der Kl. Unfallkosten in Hohe von 3.325 DM als WK bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das beklagte Finanzamt (FA) erkannte die geltend gemachten Unfallkosten nicht an, da das Vorliegen einer beruflichen Fahrt nicht anerkannt wurde.
Mit der Klage begehrt der Kl., ihm aufgrund des Unfalls vom 19.5.1980 entstandene Aufwendungen als WK anzuerkennen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kl. die ursprünglich geltend gemachten Unfallkosten von 3.325 DM auf einen Betrag von 2.600 DM ermäßigt. Zur Begründung der Klage führt der Kl. im wesentlichen aus:
Die Unfallstelle habe auf einem Streckenabschnitt gelegen, den er gewöhnlich zum Erreichen seiner Arbeitsstelle habe benutzen müssen. Der Unfall habe sich deshalb auf dem Weg zu seiner Arbeitsstätte ereignet. Die Arbeitsstelle hätte am Unfalltag nicht schon zu Dienstbeginn um 7 Uhr aufgesucht werden müssen, da in der vorausgegangenen Woche Überstunden geleistet worden seien, die am Unfalltage abgefeiert werden sollte.
Wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Unfallkosten als WK nicht gegeben sein sollten, müßten die Unfallkosten als außergewöhnliche Belastung berücktigt werden.
Der Kl. beantragt,
den ESt-Bescheid 1980 abzuändern und unfallbedingte WK in Höhe von 2.600 DM zu berücksichtigen, hilfsweise, die Beträge als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es führt im wesentlichen aus:
Die Unfallkosten seien nicht beruflich bedingt, da der Unfall sich auf der Fahrt zum Arzt ereignet habe. Eine Fahrt zu einem Arztbesuch sei eindeutig privat veranlaßt. Der Arztbesuch sei von dem Arbeitgeber des Kl. nicht angeordnet gewesen. Die Tatsache, daß der Kl. vom Arzt aus seine Arbeitsstelle habe aufsuchen wollen, könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Sin Arztbesuch während oder vor der Arbeitszeit könne steuerlich nicht anders behandelt werden, als ein Termin wahrend des Urlaubs.
Selbst wenn sich der Unfall nach dem Arztbesuch ereignet hätte, könnte dies zu keiner anderen Beurteilung führen (FG Düsseldorf, EFG 1983, 155; BFH BStBl. II 1978, 457).
Der Senat hat...