rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhung des Auflösungsverlusts durch Ausfall eines bei Kriseneintritt stehen gelassenen Darlehens - Schätzung des gemeinen Werts der Darlehensforderung
Leitsatz (redaktionell)
Lässt der Gesellschafter ein seiner Kapitalgesellschaft vor der Krise gewährtes Darlehen stehen, ist es in ein kapitalersetzendes Darlehen umzuqualifizieren, wenn der Gesellschafter die Möglichkeit gehabt hat, die den Kriseneintritt bestimmenden Umstände bei Wahrnehmung seiner Verantwortung für eine ordnungsgemäße Finanzierung der Gesellschaft zu erkennen.
Der von einem Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft gewährte Vorteil, ein Darlehen zinslos nutzen zu können, ist steuerrechtlich kein einlagefähiges Wirtschaftsgut; er kann daher nicht als (verdeckte) Einlage gewertet werden.
Der Wert der stehen gelassenen Darlehensforderung bei Eintritt der Krise ist nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihrer Werthaltigkeit nach § 162 AO zu schätzen; dabei ist der - dem gemeinen Wert entsprechende - Betrag maßgeblich, den der Gesellschafter bei einer fiktiven Veräußerung der Darlehensforderung von einem fremden Dritten erhalten hätte.
Normenkette
EStG §§ 10 d, 17; AO 1977 § 162
Tatbestand
Der Rechtsstreit befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Streitig ist zwischen den Parteien die Höhe eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG.
Der Kläger (Kl.) war alleiniger Gesellschafter GmbH (GmbH). Er hatte der GmbH im Kalenderjahr 1989 folgende Geldbeträge in Höhe von insgesamt 112. 468,18 DM gewährt:
28.01.1989 |
26.793,85 DM |
21.02.1989 |
15.092,46 DM |
08.05.1989 |
20.581,87 DM |
25.11.1989 |
30.000,00 DM |
11.12.1989 |
10.000,00 DM |
21.12.1989 |
10.000,00 DM |
Zum 31.12.1989 erklärte der Kl. für die GmbH einen Jahresfehlbetrag von 120.082,76 DM sowie einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag (=bilanzmäßige Überschuldung) von 76.714,64 DM. In der Folgezeit erfolgten durch den Kl. weitere Darlehnshingaben, deren steuerliche Behandlung zwischen den Beteiligten nicht streitig ist.
Im Streitjahr 1992 lehnte das Amtsgericht den Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH mangels Masse ab. Der Kl. fiel mit seinen im Kalenderjahr 1989 hingegebenen Darlehnsbeträgen in voller Höhe aus.
Der Kl. vertrat im Rahmen der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1992 die Ansicht, daß der Verlust des Darlehens in Höhe seines Nennwerts zu nachträglichen Anschaffungskosten geführt habe und ihm deshalb auch in Höhe des Nennwerts ein (weiterer) Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG entstanden sei. Der Bekl. berücksichtigte den Ausfall des Darlehens nicht, weil er der Auffassung war, daß zu dem Zeitpunkt, als das Darlehn kapitalersetzend geworden sei, es keinen Wert mehr gehabt habe. Davon sei auszugehen, weil der Kläger zur Bewertung der Forderung nichts vorgetragen habe, obwohl er hierfür die Beweislast trage.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Diese Entscheidung hat der BFH durch Urteil vom 26.01.1999 VIII R 75/96 aufgehoben. Er führte dazu u.a. folgendes aus:
„Fällt ein wesentlich beteiligter Gesellschafter mit Darlehen aus, die von vornherein oder in einem Zeitpunkt, als sie noch vollwertig waren, auf eine Krisenfinanzierung hin angelegt waren oder von denen das aufgrund der besonderen Umstände des Falles anzunehmen ist, sind die Anschaffungskosten der Beteiligung um den Nennwert des Darlehens zu erhöhen. Fällt der Gesellschafter mit anderen vor der Krise gewährten Darlehen aus, die er in der Krise stehen ließ, obwohl er sie hätte abziehen können, sind die Anschaffungskosten der Beteiligung um den Wert des Darlehens zu erhöhen, den es im Zeitpunkt des Eintritts der Krise hatte (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402; vgl. auch BFH-Urteil vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374).
Das FG hätte nach diesen Grundsätzen auf die Prüfung, wann die Krise der Gesellschaft eingetreten ist und wann der Gesellschafter hiervon Kenntnis erlangt hat, nicht verzichten dürfen. Der Wert des Darlehens im Zeitpunkt der Krise ist zu schätzen.”
Die Berichterstatterin hat am 8.03.1999 den Gerichtsprüfer mit der Feststellung beauftragt, welchen Nennwert das streitige Darlehn bei Eintritt der Krise der GmbH hatte und wie es zu der Krise gekommen ist. Der Gerichtsprüfer hat vom Kl. entsprechend Unterlagen über den Beginn der Krisensituation und den Wert des Darlehns im Zeitpunkt des Beginns und Erkennens der Krisensituation angefordert. Wegen der Einzelheiten wird auf das den Beteiligten vorliegende und an den Kl. gerichtete Schreiben des Außenprüfers des FG vom 11.06.1999 verwiesen.
Der Kl. hat nach Aufforderung durch die Berichterstatterin nach § 79 b FGO die folgenden Unterlagen eingereicht:
- Darlehnsvertrag vom 2. Januar 1989 zwischen dem Kl. und der GmbH über ein zinsloses Darlehn aus privaten Mitteln über 112.468,18 DM
- Vereinbarung vom 8. Februar 1989, in welcher der Kl. der GmbH zusichert, daß das Darlehn auch im Falle ...