Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Sonderausgabenhöchstbeträge nach § 10 Abs. 3 und 4 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Die Sonderausgabenhöchstbeträge nach § 10 Abs. 3 und 4 EStG in der Fassung des AltEinkG sind verfassungsgemäß.
Es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Steuerfreistellung des Arbeitgeberanteils zum Gesamtversicherungsbeitrag im Ergebnis dem Abzug dieser Beiträge als Sonderausgaben eines Steuerpflichtigen, der den Gesamtversicherungsbetrag selber leistet, gleichsteht.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 3-4
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Verfassungsmäßigkeit der Sonderausgabenhöchstbeträge nach § 10 Abs. 3 und 4 EStG.
Der Kläger ist Steuerfachangestellter und erzielte hieraus im Streitjahr 2005 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
In der Einkommensteuererklärung 2005 machte der Kläger bei den Sonderausgaben Beiträge zu gesetzlichen Rentenversicherungen (Arbeitnehmer-Anteil) von 1.662 €, Arbeitgeber-Anteil zu gesetzlichen Rentenversicherungen von 1.662 €, Beiträge zur Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung von insgesamt 2.355 € und Beiträge zu Unfall-, Haftpflicht-Risikoversicherungen von 254 € geltend.
Bei der Veranlagung berücksichtigte das Finanzamt im Rahmen der Günstigerprüfung Sonderausgaben von 2.343 €.
Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 02.03.2006 erhob der Kläger am 23.03.2006 Sprungklage. Dieser stimmte das Finanzamt mit Schreiben vom 18.04.2006 zu. Der Kläger meint, die vollständige Kürzung der nur zu 60 % begünstigten Vorsorgeaufwendungen um den Arbeitgeber-Anteil gemäß § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG verletze ihn in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG. Die steuerliche Begünstigung werde bis zum Jahr 2025 stufenweise auf 100 % angehoben. Im Gegenzug müsse allerdings die Kürzung des Arbeitgeber-Anteils von den Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch stufenweise erfolgen.
Eine weitere Ungleichbehandlung erfolge durch den gekürzten Höchstbetrag von 1.500 € gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG. Während dem Personenkreis mit einem wesentlich höheren Einkommen gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 ein Höchstbetrag von 2.400 € zustehe, reiche der ihm als Arbeitnehmer zustehende Höchstbetrag von 1.500 € nicht aus, um eine vernünftige Altersvorsorge aufzubauen sowie für einen Krankenversicherungsschutz zu sorgen. Dem Kläger müsse deshalb als Arbeitnehmer der höhere Höchstbetrag von 2.400 € gewährt werden.
Da er voraussichtlich nach dem Jahr 2040 in den Ruhestand treten werde, müsse er seine Alterseinkünfte zu 100 % versteuern. Im Gegenzug könne er die Vorsorgeaufwendungen in den Jahren 2005 bis 2024 nur prozentual berücksichtigen. Dadurch würden die für die Altersvorsorge erforderlichen Einkommensteile nicht vollständig von der Einkommensteuer freigestellt. Dies führe zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung gegenüber den Personen, die vor dem Jahr 2040 in den Ruhestand träten.
Eine Vergleichsrechnung zwischen Arbeitnehmer und Einzelunternehmer zeige, dass der Einzelunternehmer sowohl hinsichtlich der Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG als auch bezüglich der Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG bei gleichen Aufwendungen wesentlich besser gestellt werde. Dies verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Wie Beispielsrechnungen zeigten, sei der Sonderausgabenabzug eines Arbeitnehmers nicht nur im Vergleich zu sonstigen Erwerbstätigen, sondern auch im Vergleich zu Arbeitnehmern verfassungswidrig. So könne ein Angestellter mit einem Brutto-Einkommen von 40.000 € im Vergleich zu einem Angestellten mit einem Brutto-Einkommen von nur 20.000 € einen um 390 € höheren Sonderausgabenabzug in Anspruch nehmen. Die neue gesetzliche Regelung stehe daher in eindeutiger Diskrepanz zu Art. 3 Abs. 1 GG. Der BFH könne daher in seinem Beschluss vom 01.02.2006 X B 166/05, BStBl II 2005, 420, nicht behaupten, dass bei der steuerlichen Begünstigung von Vorsorgeaufwendungen keine Verfassungswidrigkeit vorliege.
Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 02.03.2006 dahin zu ändern, dass der Sonderausgabenabzug für Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und Nr. 3 EStG mit 3.397 € angesetzt wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er führt aus, dem Gesetzgeber stehe ein Gestaltungsspielraum zu, in welcher Höhe er Aufwendungen für die Altersvorsorge zulassen wolle. Eine verfassungsrechtliche Benachteiligung in dem derzeit begrenzten Abzug von 60 % der Rentenversicherungsbeiträge sei deshalb nicht zu erkennen. Ebenso sei es verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der volle Arbeitgeber-Anteil von den abzugsfähigen Aufwendungen gekürzt werde, da dieser Anteil der Aufwendungen vom Kläger tatsächlich nicht getragen werde.
Dies gelte entsprechend für die unterschiedliche Höhe der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 10 Abs. 4 EStG. Entscheidend sei nämlich, ob ein Steuerpflichtiger seine Krankenversicherungsbeiträge vollständig...