Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen durch BFH Beschluss IX B 74/20 v. 12.05.2021

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung der Klagefrist bei regional unterschiedlichen Feiertagsregelungen - hier: 15. August - Maria Himmelfahrt

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Vorliegen eines gesetzlichen Feiertages im Hinblick auf die Berechnung der Klagefrist ist auf die Verhältnisse am Erklärungsort im Sinne des § 193 BGB abzustellen, d. h. auf den Ort an dem die Klage einzureichen ist und nicht auf den Wohnsitz des Kläger bzw. des Prozessbevollmächtigten und einer dort geltenden, ggf. abweichenden Feiertagsregelung.

 

Normenkette

BGB § 193; ZPO § 222 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 12.05.2021; Aktenzeichen IX B 74/20)

 

Tatbestand

Streitig ist die Aufhebung der Vorläufigkeit bezüglich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks Ort1, ABC 7.

Mit Bescheiden vom 26.03.2019 erließ das Finanzamt für die Streitjahre Änderungsbescheide nach § 165 Abs. 2 AO und erklärte die vorläufigen Steuerfestsetzungen hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffend das Objekt ABC 7 in Ort1 für endgültig.

Die Einsprüche vom 29.04.2019 hiergegen begründete der Klägervertreter nicht. Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 10.07.2019 als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 10.07.2019 ist am Freitag, dem 16.08.2019 um 19:43 Uhr per Fax beim FG Nürnberg eingegangen.

In seiner Klage verweist der Kläger zur Begründung im Wesentlichen auf seinen Vortrag und den Schriftwechsel in den Klageverfahren 7 K 1750/13 und 7 K 475/14.

Der Klägervertreter beantragt schriftsätzlich, den Einkommensteuerbescheid 2006 bis 2008 vom 26.03.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.07.2019 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt verweist zur Begründung auf das Einspruchsverfahren.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig, weil die Klagefrist versäumt wurde.

Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt gemäß § 47 Abs. 1 FGO einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Die Einspruchsentscheidung vom 10.07.2019 wurde gemäß der Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Ziff. 1 AO unter Berücksichtigung der Auslegung im BFH-Urteil vom 14.10.2003 IX R 68/98 am Montag, den 15.07.2019 bekannt gegeben. Die Klagefrist begann somit am 15.07.2019 und endete gemäß § 54 Abs. 2 FGO, § 222 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 15.08.2019 (Donnerstag). Nur soweit dieser Tag ein gesetzlicher Feiertag ist, tritt an die Stelle des 15.08.2019 der nächste Werktag.

Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass der 15. August nicht überall ein staatlich anerkannter allgemeiner Feiertag ist. Gemäß § 193 BGB, der über § 222 Abs. 2 ZPO für prozessuale Fristen Anwendung findet, kommt es darauf an, ob dieser Tag am Erklärungs- oder Leistungsort ein staatlich anerkannter allgemeiner Feiertag ist.

Dieser Vorschrift ist u.a. zu entnehmen, dass es im Klagefall ausschließlich auf die Verhältnisse in der Stadt Nürnberg als "Erklärungsort" im Sinne des § 193 BGB ankommt, da sich hier das Finanzgericht Nürnberg befindet, bei dem die Klage gem. § 64 FGO zu erheben war. Auf den Wohnsitz des Klägers bzw. des Prozessbevollmächtigten und einer dort geltenden, ggf. abweichenden Feiertagsregelung, kommt es mithin nicht an.

Diese Rechtsauffassung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 24.08.2011 8 AZN 808/11, BAGE 139, 107) sowie des Bundesgerichtshofs (BGH vom 10.01.2012 VI ZA 27/11, NJW-RR 2012, 254), wonach das Ende einer Rechtsmittelfrist wegen eines allgemeinen Feiertages nur dann hinausgeschoben wird, wenn der betreffende Tag an dem Ort, an dem das Rechtsmittel einzulegen ist, gesetzlicher Feiertag ist.

In der Stadt Nürnberg war der 15.08.2019 (Mariä Himmelfahrt) kein gesetzlicher Feiertag.

Mariä Himmelfahrt ist gesetzlicher Feiertag nur in Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung, Art. 1 Abs.1 Nr. 2 Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage (FTG) in der ab 01.05.2019 geltenden Fassung. Da die Stadt Nürnberg diese Vorgaben nicht erfüllt, weil dort die Bevölkerung nicht überwiegend katholisch ist, war am Ort der Klageerhebung kein Feiertag.

Die Klagefrist ist am 15.08.2019 abgelaufen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt allein wegen Ablaufs der Jahresfrist gem. § 56 Abs. 3 FGO nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs.1, 135 Abs.1 FGO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15127355

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