Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Rechtsschutzbedürfnis von Hilfsanträgen; - Zur Zulässigkeit einer Aufrechnung während der Wohlverhaltensphase in Verfahren der Restschuldbefreiung;

 

Leitsatz (redaktionell)

Hilfsweise gestellten Anträgen auf Feststellung der Unwirksamkeit der Verrechnung bzw. auf Auszahlung einer Umsatzsteuererstattung fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil bei einer erfolgreichen Anfechtungsklage die insoweit beantragte Rechtsfolge bereits aus der gerichtlichen Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts folgt.

Im Insolvenzverfahren angemeldete und nicht befriedigte Umsatzsteuerforderungen können nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich wieder unbeschränkt geltendgemacht werden. Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung hindern grundsätzlich nicht eine Aufrechnung während der Wohlverhaltensphase; die Aufrechnung ist keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung. Umsatzsteuererstattungen sind keine Bezüge im Sinne von § 294 Abs. 3 InsO. Eine Regelungslücke hinsichtlich unternehmerisch tätiger Insolvenzschuldner besteht im Restschuldbefreiungsverfahren nicht.

 

Normenkette

AO §§ 47, 218 Abs. 1-2, § 226 Abs. 1; BGB §§ 387-388, 394; InsO § 201 Abs. 1, §§ 286, 287 Abs. 2, § 294 Abs. 3, § 295 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzamt im Rahmen des Verfahrens der Restschuldbefreiung zur Insolvenztabelle angemeldete Umsatzsteuerforderungen während der Wohlverhaltensphase mit nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstandenen Umsatzsteuererstattungsansprüchen aufrechnen kann.

Der Kläger hatte aus früherer unternehmerischer Tätigkeit erhebliche Steuerrückstände. Über sein Vermögen wurde am 10.04.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet, wobei er die Restschuldbefreiung beantragte. Das Finanzamt meldete u.a. Umsatzsteuervorauszahlungsschulden aus November 1996 in Höhe von ....... € (Fälligkeit am 30.04.1997) und aus März 1997 in Höhe von ...... € (Fälligkeit am 28.07.1997) zur Insolvenztabelle gemäß § 174 Abs. 1 InsO an, die in vollem Umfange anerkannt wurden. Mit Beschluss vom 26.08.2002 stellte das Insolvenzgericht fest, dass der Kläger Restschuldbefreiung erlangt, wenn er für die Zeit von sechs Jahren ab 10.04.2002 die Obliegenheiten nach § 295 InsO erfüllt. Am 28.01.2003 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf.

Der Kläger war in den Jahren 2004 und 2005 selbständig als Fliesenleger tätig. Er reichte beim Finanzamt die Umsatzsteuervoranmeldungen für Februar 2004 mit einem Erstattungsbetrag von ...... € (fällig am 23.03.2004), für Dezember 2004 mit einem Erstattungsbetrag von ....... € (fällig am 07.01.2005), für das erste Quartal 2005 mit einem Erstattungsbetrag von ...... € (fällig am 11.04.2005) und für das dritte Quartal 2005 mit einem Erstattungsbetrag von ....... € (fällig am 10.10.2005) ein. Das Finanzamt teilte dem Kläger mit, dass die Guthaben mit Steuerrückständen aus der Voranmeldung für November 1996 bzw. März 1997 verrechnet worden seien. Der Kläger erklärte sich hiermit nicht einverstanden und beantragte die Verrechnung der Erstattungsansprüche (von insgesamt ...........€) mit künftigen Umsatzsteuervorauszahlungen.

Die Einsprüche gegen die Abrechnungsbescheide (§ 218 Abs. 2 AO) vom 15.04.2005, vom 03.05.2005, vom 11.05.2005 und vom 10.11.2005, mit denen das Finanzamt das Erlöschen der Erstattungsansprüche durch die Aufrechnungen bestätigte, wies es mit der Entscheidung vom 19.01.2006 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, die Abrechnungsbescheide vom 15.04.2005, vom 03.05.2005, vom 11.05.2005 und vom 10.11.2005, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.01.2006 aufzuheben.

Hilfsweise beantragt er festzustellen, dass die Verrechnung der Umsatzsteuerguthaben mit Altschulden unwirksam ist.

Wiederum hilfsweise beantragt er, das Finanzamt zur Zahlung von ..... € zu verurteilen.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte vor:

Die Aufrechnung von unbestritten angemeldeten Insolvenzforderungen mit Steuererstattungsansprüchen sei während der Wohlverhaltensphase unzulässig. Die Regelungen über die Restschuldbefreiung in §§ 286 ff InsO, insbesondere die Vorschrift des § 287 InsO, stellten auf Arbeitnehmer oder vergleichbare Dienstverpflichtete ab. Der Gesetzgeber habe übersehen, eine vergleichbare Regelung für selbständige Schuldner zu schaffen. Dies könne nicht zu einer Benachteiligung oder dem Ausschluss der während der Wohlverhaltensphase selbständig tätigen Schuldner führen. Das Aufrechnungsverbot folge aus § 394 BGB i.V.m. § 850 ZPO. Es müssten daher die Vorschriften des Pfändungsschutzes, insbesondere § 850i ZPO entsprechend angewandt werden.

Er habe die Umsatzsteuer bei dem Bezug der Waren bezahlt und müsse diese zurückerstattet erhalten. Es handele sich um Geschäftskapital, das er benötige, um seinen Betrieb weiterhin aufrecht zu erhalten.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend Folgendes vor:

N...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge