Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Kindergeldgewährung bei Eintritt der Behinderung des Kindes nach Vollendung des 27. Lebensjahres
Leitsatz (redaktionell)
Nach der zum 1. 1. 2000 in Kraft getretenen Klarstellung ist eine vom Höchstalter des Kindes unabhängige Kindergeldgewährung gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nur möglich, wenn die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin für ihren am 18. 4. 1966 geborenen Sohn K Kindergeld zusteht.
Mit Schreiben vom 14. 7. 1999 meldete das Sozialamt der Stadt ... einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X auf Kindergeld für K an. Der Beklagte behandelte dieses Begehren als Antrag der Klägerin und ermittelte, daß der Sohn einen Grad der Behinderung von 20 % vom Versorgungsamt ... wegen chronischer Leberentzündung und seelischen Störungen gemäß Bescheid vom 4. 5. 1999 zugebilligt erhalten hat. Nach Angaben der Klägerin liegt die Behinderung seit 26. 1. 1999 vor.
Mit Bescheid vom 24. 9. 1999 lehnte der Beklagte eine Kindergeldfestsetzung ab.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt, den Bescheid vom 24. 9. 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. 11. 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr ab 1. 2. 1999 Kindergeld zu gewähren.
Zur Begründung trägt sie vor: Die Gewährung von Kindergeld sei insbesondere deshalb abgelehnt worden, weil die Behinderung nach der Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sei. Dabei sei auf die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Bezug genommen worden, nach der die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sein mußte. Ab 1. 1. 1996 habe sich die Rechtslage entscheidend geändert. Klagen würden nicht mehr bei den Sozial-, sondern den Finanzgerichten entschieden. Das Finanzgericht München habe mit rechtskräftigem Urteil vom 16. 4. 1997 9 K 2742/96, EFG 1997, 1262 entschieden, daß Kindergeld auch zu gewähren sei, wenn die Behinderung und die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, nach Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sei.
Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangspunkte und Ziele des Gesetzgebers könnten die Entstehungsgeschichte des § 2 BKGG a. F., die Zielsetzung des Kindergeldes für behinderte Kinder nach dieser Vorschrift und der Vergleich mit dem System der Leistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung, den Rentenversicherungen und dem Bundesversorgungsgesetz, auf die das BSG seine Auslegung des § 2 BKGG a. F. gestützt habe, für die Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG nicht mehr herangezogen werden. Die anderslautende Weisung des Bundesministeriums der Finanzen zu § 32 EStG habe insoweit keine Wirkung.
Im übrigen habe das Amt für Versorgung und Familienförderung ... beim Sohn mit Bescheid vom 27. 10. 1999 einen Grad der Behinderung von 50 % anerkannt.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er aus: Auch wenn ein Grad der Behinderung von 50 % nachgewiesen würde, sei weitere zwingende Voraussetzung, daß die Behinderung auch ursächlich sei, daß das Kind sich nicht selbst unterhalten könne. Die erforderliche Ursächlichkeit sei nur dann gegeben, wenn das Kind wegen Art und Umfang der Behinderung keine Erwerbstätigkeit ausüben könne, die ihm die Deckung seines Lebensbedarfs ermögliche. Aufgrund der Arbeitslosmeldung des Sohnes K sei davon auszugehen, daß eine Ursächlichkeit nicht vorliege.
Im übrigen müsse die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eintreten. Dies sei jedoch nach Angaben der Klägerin erst im Jahr 1999 der Fall gewesen. Das Bundesministerium der Finanzen habe noch nach Ergehen des Urteils des FG München an seiner Auffassung festgehalten, daß dieses Erfordernis nach wie vor maßgeblich sei. Im übrigen habe der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes zur Familienförderung ab 1. 1. 2000 den Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG geändert und damit eindeutig klargestellt, daß die Voraussetzungen bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahres vorgelegen haben müssen.
Die Entscheidung ergeht im Einvernehmen mit den Beteiligten durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 3 FGO) und ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 1999 wird ein Kind nach Vollendung des 18. Lebensjahres bei der Zahlung von Kindergeld berücksichtigt, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Ein Kind ist dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Die allgemeine Altersgrenze, bis zu der Kinder ohne besondere Voraussetzungen zu berücksichtigen sind, liegt bei Vollendung des 18. Lebensjahres. Über das 18. Lebensjahr hinaus werden Kinder nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG berücksichtigt. Für behinderte Kinder gilt dabei keine Höchstaltersgre...