Revision eingelegt (BFH IX R 15/14)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die ermäßigte Besteuerung einer Entschädigungszahlung
Leitsatz (amtlich)
Die für die Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 EStG erforderliche Zusammenballung von Einkünften liegt nicht vor, wenn im Jahr des Zuflusses der Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes (§24 Nr. 1 EStG) die Einkünfte des Steuerpflichtigen den entgehenden Arbeitslohn nicht übersteigen. Die Prognoseentscheidung über den voraussichtlichen Arbeitslohn entfällt nicht dadurch, dass der Steuerpflichtige im Jahr des Zuflusses der Entschädigung tatsächlich keinen Arbeitslohn mehr, sondern andere Einkünfte erzielt.
Normenkette
EStG § 24 Abs. 1, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist die ermäßigte Besteuerung einer Abfindung.
Die Klägerin war bis 2009 für die XXX GmbH nichtselbständig tätig. Aufgrund eines Vorschlags des Arbeitsgerichts vom 21.10.2009 schloss die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber einen Vergleich, der u.a. die Beendigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.12.2009, die Freistellung von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vertragsmäßigen Vergütung bis zum rechtlichen Beendigungszeitpunkt, als Entschädigung eine am 31.01.2010 fällige Abfindung i.H.v. 76.000 €, eine Bonuszahlung für 2009 i.H.v. 9.091,50 € und die Berechtigung der Klägerin, den ihr zur Verfügung gestellten Dienstwagen auch während der Zeit der Freistellung privat zu nutzen und diesen nebst Fahrzeugschlüsseln am 31.12.2009 – bei einer vorzeitigen Beendigung zu diesem Beendigungszeitpunkt – an die Beklagte zurückzugeben, vorsah.
Für 2010 erklärte die Klägerin die erhaltene Abfindung i.H.v. 76.000 € in der Anlage N als Entschädigung.
Mit Bescheid vom 06.10.2011 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2010 auf 21.484 € fest und gewährte für die Abfindungszahlung keinen ermäßigten Steuersatz. Der Einkommensteuerbescheid wurde aus anderen, vorliegend nicht strittigen Gründen, mit Bescheid vom 21.10.2011 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert und die Einkommensteuer auf 21.471 € herabgesetzt.
Der dagegen am 09.11.2011 eingelegte Einspruch wurde damit begründet, dass die Abfindung nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern sei. Die hierfür erforderliche Zusammenballung der Entschädigungszahlung liege in Gestalt der im Streitjahr bezogenen gesamten Entschädigungsleistung vor. Im Jahr 2010 seien weitere Einnahmen i.H.v. 13.617 € nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG angefallen. Träfen in einem Kalenderjahr sowohl der 5tel-Regelung unterliegende, außerordentliche Einkünfte als auch dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkünfte zusammen, seien die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte in voller Höhe in die Berechnung der Einkommensteuer auf die außerordentlichen Einkünfte einzubeziehen (Hinweis auf BFH-Urteil vom 22.09.2009 IX R 93/07, BFH/NV 2010, 296). Die aufgrund des Vergleichs weiter entrichteten Beträge sowie die private Kfz-Nutzung und Telefonnutzung seien bereits im Jahr 2009 als zusätzliche Entschädigung zu werten. Dies bedeute, dass der vom Beklagten herangezogene Arbeitslohn des Jahres 2009 um diese Entschädigungen zu kürzen sei. Dadurch überstiegen die Summe der Abfindung und die weiteren Einkünfte und Einnahmen des Jahres 2010 die Einkünfte des Vorjahres. Eine Zusammenballung liege somit vor.
Mit Einspruchsentscheidung vom 31.10.2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück im Wesentlichen mit der Begründung, eine Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1a EStG sei nur dann nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG tarifbegünstigt, wenn sie zu einer Zusammenballung von Einnahmen innerhalb eines Veranlagungszeitraums führe. Die Zusammenballung sei nur gegeben, wenn der Steuerpflichtige unter Einschluss der Entschädigung infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einem Veranlagungszeitraum insgesamt mehr erhalte, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge, erhalten hätte. Was die Klägerin bei ungestörter Fortsetzung des Dienstverhältnisses erhalten hätte, könne nur aufgrund einer hypothetischen und prognostischen Beurteilung ermittelt werden. Diese orientiere sich grundsätzlich an den Verhältnissen des Vorjahres, im Streitfall an den Verhältnissen des Jahres 2009 mit einem Arbeitslohn von 121.269 €. Falls es sich aufgrund der Bonuszahlung in 2009 um eine außergewöhnliche Einnahmesituation handele, könnten auch die Verhältnisse der Vorjahre in die Berechnung mit einbezogen werden (Hinweis auf BFH-Urteil vom 27.01.2010 IX R 31/09, BStBl II 2011, 28). Der Arbeitslohn der Klägerin habe im Jahr 2008 109.878 € und im Jahr 2007 109.739 € betragen. Zum Arbeitslohn gehöre auch der geldwerte Vorteil aus der Privatnutzung des Dienstwagens. Bei den aufgrund des Vergleichs weitergezahlten Bezügen handele es sich nicht um Entschädigungsleistungen, sondern um laufenden Arbeitslohn, nur bei einer vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses hätten diese fre...