Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verfassungswidrigkeit der Kappungsgrenze bei der Entfernungspauschale - Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale
Leitsatz (amtlich)
1. Es bestehen keinerlei Anzeichen für eine Verfassungswidrigkeit der in § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG festgelegten Kappungsgrenze von 4.500 € im Hinblick auf unterschiedliche Fahrtkosten von Bahnfahrern 1. und 2. Klasse.
2. Gemäß § 9 Abs. 2 EStG sind die Aufwendungen für den Erwerb von Monatskarten der Deutschen Bahn auch hinsichtlich der auf freie oder Krankheitstage entfallenden anteiligen Kosten durch die Entfernungspauschale abgegolten.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger erklärte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Steuerbeamter. Bei diesen machte er u.a. den Erwerb folgender Bücher als Arbeitsmittel einkunftsmindernd geltend:
Archäologie des Wissens |
13,00 € |
Analytik der Macht |
13,00 € |
Anfang der Philosophie |
4,10 € |
Zenon, Empedokles |
8,40 € |
Milesier, Pythagoreer |
8,40 € |
Summe (aufgerundet) |
47,00 € |
Der Kläger hat zudem Aufwendungen in Höhe von 207 € als "vergebliche Fahrtkosten" geltend gemacht. Diesen Betrag errechnete er, indem er die Kosten für eine Monatskarte der Deutschen Bahn für 388,20 € (Gültigkeit vom 26.11.07 bis 25.12.07) durch die Anzahl der Gültigkeitstage teilte und mit der Anzahl der Tage multiplizierte, an denen er seine Arbeitsstätte nicht aufsuchte. Aus den Akten ergibt sich, dass der Kläger im Vorjahr eine Jahreskarte der Deutschen Bahn mit Gültigkeit bis 19.11.07 erstanden und steuerlich geltend gemacht hat.
Weiterhin machte der Kläger Kosten für Handwerkerleistungen in Höhe von 100 € gemäß § 35 a Einkommensteuergesetz (EStG) geltend. Er gab an, diese Kosten geschätzt zu haben.
Im Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 03.09.2008 ließ das Finanzamt diese Aufwendungen unberücksichtigt. Fahrtkosten für Wege mit dem eigenen Pkw zwischen Wohnung und Arbeitsstätte errechne das Amt mit 120 €, für solche mit anderen Verkehrsmitteln mit 8.835,60 €. Letzteren Betrag kappte es auf 4.500 € und setzte insgesamt eine Entfernungspauschale in Höhe von 4.620 € an.
Mit seinem fristgerechten Einspruch machte der Kläger die Berücksichtigung der genannten Aufwendungen weiter geltend. Dabei erklärte er, ohne auf die geltend gemachten Handwerkerleistungen einzugehen, die Regelung zu den haushaltsnahen Dienstleistungen sei korrigierend auszulegen. Zudem wandte sich der Kläger nunmehr gegen die Anwendung der Kappungsgrenze von 4.500 € im Kalenderjahr gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 erster Halbsatz EStG 2007 und verlangte zunächst die Anwendung einer erhöhten Kappungsgrenze von 7.200 €. Nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 09.12.2008 2 BvL 1/07 (BGBl I 2008, 2888) verlangte er, die Kappungsvorschrift gänzlich unberücksichtigt zu lassen.
Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit seiner ursprünglich als Untätigkeitsklage erhobenen Klage begehrt der Kläger, den Einkommensteuerbescheid vom 14.04.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2010 dahin zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten weitere Aufwendungen für Literatur in Höhe von 47 €, für "vergebliche Fahrtkosten" in Höhe von 208 € und für den Bezug der Wochenzeitschrift "The New Yorker" in Höhe von 150 € berücksichtigt werden, die Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 8.957 € statt mit 4.620 € sowie Handwerkerleistungen nach § 35a EStG in Höhe von 100 € angesetzt werden und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird.
Er begründet seine Klage durch Verweis auf seine Schriftsätze in dem diesem und den Parallelverfahren vorangegangen Einspruchsverfahren im Wesentlichen wie folgt:
Der Ausschluss der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in § 9 EStG erfolge nur als Trick, um auch die ersten 20 km vom Werbungskostenabzug ausschließen zu können. Diese Regelung setzte voraus, dass es sich um Kosten für tatsächlich vorgenommene Fahrten handle. Bei den vergeblichen Fahrtkosten handle es sich hingegen um Kosten für Nichtfahrten. Diese müssten nach dem Nettoprinzip absetzbar sein und seien vom Ausschluss des Werbungskostenabzugs nach § 9 EStG nicht erfasst.
Die Kappungsgrenze von 4.500 € für die Entfernungspauschale stelle einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz dar. Der Fernpendler werde gegenüber dem Nahpendler benachteiligt. Die Kappung gelte ohne Unterschied, ob ein Bahnfahrer mit der ersten oder zweiten Klasse fahre. Wende man den Erstklassenzuschlag von 160% auf den Kappungsbetrag an, so komme man auf einen Kappungsbetrag von 7.200 € für Fahrten in der ersten Klasse. Man sei als Fernpendler gezwungen, erste Klasse zu fahren, da die zweite Klasse in den Stoßzeiten überlastet sei. Ein Fernpendler der zweiten Klasse könne mit seinem Fahrpreis eine weitere Strecke zurücklegen als ein Fernpendler in der ersten Klasse. Dies stelle einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot...