Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsempfänger bei Überzahlung an Abtretungsempfänger. Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO. Einwand von Treu und Glauben
Leitsatz (redaktionell)
- Eine nur über einen Teilbetrag eines Steuererstattungsanspruchs vorliegende Abtretung ist hinsichtlich des nichtabgetretenen Teilbetrages einer vollständig unwirksamen Abtretungserklärung gleichzusetzen. In diesem Fall hat der Abtretungsempfänger als Leistungsempfänger grundsätzlich den vom Finanzamt überbezahlten Teilbetrag nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO zu erstatten.
- Zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben als Einwand gegen den Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2 Sätze 1, 3
Tatbestand
Streitig ist die Rückforderung einer Einkommensteuererstattung.
Der Kläger ist als Abtretungsempfänger in einer Abtretungsanzeige des Herrn Y vom 2. 1. 1995 über einen Betrag von 250 DM eingetragen. Aufgrund einer Einkommensteuererklärung vom 6. 3. 1995 und des darauf ergangenen Einkommensteuerbescheid 1994 für Herrn Y erstattete das Finanzamt dem Kläger 3.835 DM. Der Bescheid vom 26. 6. 1995 war an den Lohnsteuerhilfeverein in X gerichtet. Als Erläuterung wurde ausgeführt: „Der Erstattungsbetrag wurde auf das in der Abtretungserklärung genannte Konto überwiesen“. Die Abtretungsanzeige vom 2. 1. 1995 ist ebenso wie die Einkommensteuererklärung vom 6. 3. 1995 in breiter Schrift leserlich mit dem Namen „...“ unterschrieben.
Im Rahmen einer Änderung der Einkommensteuererklärung des Herrn Y bemerkte das Finanzamt die zu hohe Überweisung an den Abtretungsempfänger und forderte mit Bescheid vom 19. 7. 1996 den Differenzbetrag von 3.585 DM (3.835 DM ./. 250 DM) gem. § 37 Abs. 2 AO vom Kläger zurück.
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein mit der Begründung, er habe den Differenzbetrag über einen Verwandten an Herrn Y weitergeleitet.
Mit Einspruchsentscheidung vom 20. 1. 1998 wies das Finanzamt den Einspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben und im Wesentlichen vorgetragen:
Ein Rückforderungsanspruch des Finanzamts sei nicht begründet; er habe die Zahlung des Finanzamts nicht aufgrund öffentlich-rechtlichen Anspruchs erhalten, sondern als völlig unbeteiligter Dritter. Den überschießenden Betrag habe er über Herrn X an Herrn Y weitergeleitet, was eine Quittung belege. Er habe letztlich als Vertreter des Berechtigten gehandelt, der sein Vorgehen auch genehmigt habe. Ein Rückforderungsanspruch ihm gegenüber sei daher unzulässig.
Er wolle versuchen, die vom Finanzamt geforderte Abtretungserklärung auf amtlichem Vordruck von Herrn Y, der sich wieder in der Türkei befindet, zu erhalten. Die Berechtigung der Zahlung an ihn, den Kläger, folge aus einer Erklärung ihn türkischer Sprache, die am 13. 4. 1999 ausgestellt sei und übersetzt folgenden Inhalt habe: „Durch X habe ich 1995 das vom Finanzamt auf meinen Namen überwiesene Geld erhalten. Ansonsten fordere ich nichts mehr von Herrn X. Ich möchte, dass dieses Schreiben zur Kenntnis genommen wird.“ Aussteller des Schreiben sei ausweislich der Unterschrift der Steuerpflichtige Y. Im Übrigen sei der Anspruch des Finanzamts auch unbegründet, da diese weder ein zweites Mal gezahlte habe, noch von Herrn Y in Anspruch genommen werde. Dessen Einkommensteuerveranlagung sei rechtmäßig und nicht wirksam aufgehoben worden.
Der Kläger hat beantragt, den Rückforderungsbescheid vom 19. 7. 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. 1. 1998 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung ausgeführt:
Im Streitfall bestehe ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch gegen den Kläger, weil die Auszahlung aufgrund eines vermeintlichen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gezahlt worden sei. Im Rückforderungsverfahren nach § 37 AO seien die Vorschriften des BGB (§§ 812 ff.) weder unmittelbar noch analog anzuwenden. Daher könne sich der Kläger nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Die voreilige Geldübergabe des Klägers an Herrn Y könne nachträglich akzeptiert werden, wenn dieser eine Abtretungsanzeige auf amtlichen Vordruck über den Differenzbetrag von 3.585 DM vorlege.
Im vorliegenden Verfahren sei es unbeachtlich, dass eine Erstattung an den Berechtigten bisher nicht durchgeführt worden sei. DEm vorgelegten Schreiben des Herrn Y vom 13. 4. 1999 werde keine entscheidungserhebliche Bedeutung zugemessen, da hieraus nicht zu entnehmen sei, dass das Finanzamt von seiner Erstattungspflicht befreit werden solle.
Im Übrigen würden die Unterschriften des Herrn Y unter der Steuererklärung vom 6. 3. 1995 und der Abtretungserklärung vom 2. 1. 1995 einerseits deutlich von den Unterschriften auf der Erklärung vom 13. 4. 1999 und einer weiteren Erklärung vom 28. 2. 2001 andererseits abweichen. Deshalb sei der Antrag auf Veranlagung nicht wirksam gestellt, da der Steuerpflichtige Y die Steuererklärung offensichtlich nicht selbst eigenhändig unterschrieben habe. Mit Aufhebungsbescheid vom...