rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei Versäumung der Frist für die Antragsveranlagung
Leitsatz (amtlich)
Nach Ablauf der Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO kommt eine Wiedereinsetzung wegen Versäumens der nicht verlängerbaren Ausschlussfrist des § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr.8 EStG nicht mehr in Betracht. Dies gilt auch, obwohl in der "Anleitung zur Einkommensteuererklärung" für 1996 kein ausdrücklicher Hinweis auf die Änderung der Rechtslage durch Wegfall des § 46 Abs. 1 EStG enthalten ist.
Normenkette
EStG 1996 § 46 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 8; AO § 110
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, für den Kläger noch eine Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1996 durchzuführen.
Der 1960 geborene, ledige Kläger ist von Beruf Diplom-Volkswirt und war als solcher im Streitjahr 1996 bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft ... in F beschäftigt. In den Jahren 1993 bis 1996 bereitete er sich auf die Steuerberaterprüfung vor, die er aber nicht bestand (vgl. Bl.21 Prozessakten -PA-).
Am 30. Dezember 2002 reichte der Kläger die Einkommensteuererklärung 1996 ein. Mit Bescheid vom 3. Januar 2003 lehnte der Beklagte die Einkommensteuerveranlagung ab, da der Antrag nach Ablauf der Abgabefrist eingereicht worden sei und keine Wiedereinsetzungsgründe i. S. d. § 110 AO vorlägen (Bl. 25 EStA 1996). In einem Telefonat erläuterte der Beklagte dem Kläger offenbar, dass es sich um eine Antragsveranlagung nach §46 Abs. 2 Nr. 8 EStG handele und die hierfür vorgesehene Frist für die Einreichung des Antrags auf Veranlagung zur Einkommensteuer, die nur zwei Jahre betrage, für den Veranlagungszeitraum 1996 am 31. Dezember 1998 abgelaufen sei (vgl. Bl.26 EStA 96).
Gegen die Ablehnung legte der Kläger Einspruch ein, den er im wesentlichen wie folgt begründete (Bl. 26 f., 32 f. EStA 1996):
Seit er berufstätig sei, habe er - bis auf seine Erstveranlagung 1991 - noch nie eine Einkommensteuerveranlagung beantragt, sondern sei immer durch den Beklagten mittels Erinnerung und Androhung von Zwangsgeld zur Abgabe der Einkommensteuererklärung aufgefordert worden. Er habe auch noch nie vom Beklagten eine schriftliche oder mündliche Belehrung darüber erhalten, dass sich an diesem Status etwas geändert haben könnte. Davon, dass § 46 Abs. 1 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 1996 ersatzlos gestrichen worden sei, habe er erstmals in dem Telefonat mit dem Beklagten am 16. Januar 2003 erfahren; bis dahin sei ihm nur die 7-Jahresfrist für die Festsetzungsverjährung von Steuererklärungen bekannt gewesen. Selbst in dem "kleinen Ratgeber 1996 für alle Lohnsteuerzahler" sei auf Seite 29, auf der die Pflichtveranlagung 1996 geregelt sei, noch ein falscher Gesetzestext abgedruckt, nämlich der des Jahres 1995. Auch hier sei kein Hinweis vermerkt, dass sich für 1996 noch etwas ändern könnte. Herausgeber des Heftchens seien das Bundesministerium der Finanzen und die obersten Steuerbehörden der Länder. In der Anleitung zur Einkommensteuererklärung 1996 seien wesentliche Änderungen gegenüber der Anleitung 1995 durch senkrechte Linien am Blattrand gekennzeichnet. Bei der Erklärungspflicht des Jahres 1996, in der in 1995 noch der § 46 Abs. 1 EStG ausgeführt gewesen sei, sei allerdings kein Strich gemacht worden. Hinweise seien ebenfalls keine gemacht worden. Bei einer Gesetzesänderung mit derart gravierenden Folgen hätte vom Beklagten mindestens für das Jahr der ersten Anwendung, 1996, eine schriftliche oder mündliche Belehrung von Amts wegen erfolgen müssen. Da mithin §46 Abs.2 Nr.8 EStG nicht anwendbar sei, laufe die Festsetzungsfrist gemäß §170 Abs.2 Nr.1 Alt.2 i.V.m. §169 Abs.2 Nr.2 Alt.1 AO erst mit Ablauf des Jahres 2003 ab.
Der Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 30. April 2003 mit im Wesentlichen folgender Begründung als unbegründet zurück (Bl. 36 ff. EStA "EE zur ESt 1996"):
Die Frist zur Abgabe des Antrags auf Veranlagung zur Einkommensteuer 1996 habe mit Ablauf des Kalenderjahres 1998 geendet. Der Antrag des Klägers, der erst am 30. Dezember 2002 beim Beklagten eingereicht worden sei, sei daher verfristet. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO seien nicht ersichtlich, da den Kläger hinsichtlich der Fristversäumnis ein Verschulden treffe. Allein die Tatsache, dass durch den Beklagten eine nicht vorgeschriebene Fristbelehrung unterblieben sei, stelle für sich allein keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, denn es müsse ein entschuldbarer Irrtum über den Fristablauf vorliegen, was nicht der Fall sei. Die Änderung des § 46 EStG (Wegfall des Abs. 1) durch das Jahressteuergesetz 1996 sei durch Medien und Pressemitteilungen öffentlich bekannt gegeben worden. Es habe somit im Interesse des Steuerpflichtigen gelegen, sich ggf. näher beim Finanzamt darüber zu informieren. Auch werde jeweils zum Jahresende durch Presseveröffentlichungen an den Ablauf der Zweij...