Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsaustausch bei Ankauf von landwirtschaftlichen Erzeugnissen durch eine Genossenschaft und Weiterverkauf bei Abrechnung gegenüber den Erzeugern durch Gutschrift unter Vornahme eines Abschlags auf den Verkaufspreis

 

Leitsatz (amtlich)

Kauft eine Genossenschaft landwirtschaftliche Erzeugnisse von ihren Mitgliedern an und verkauft sie an den Handel weiter, so liegt in der Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse dann keine steuerbare entgeltliche Leistung gegenüber den Mitgliedern vor, wenn sie ihnen gegenüber durch Gutschrift abrechnet und dabei auf den von ihr erzielten Verkaufspreis einen - als Marktgebühr bezeichneten - Abschlag vornimmt, der der Deckung der ihr durch die Vermarktung entstehenden Kosten dient. Es wird vielmehr für die Waren nur eine reduzierte Vergütung gezahlt.

 

Normenkette

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 13.09.2022; Aktenzeichen XI R 8/20)

 

Tatbestand

Streitig ist die umsatzsteuerliche Behandlung sog. Marktgebühren.

Die Klägerin ist eine landwirtschaftliche Nutzungs- und Verwertungsgenossenschaft; sie betreibt die gemeinschaftliche Verwertung von Obst und Gemüse, sowie sonstiger landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Erzeugnisse ihrer Mitglieder.

Mit Verschmelzungsvertrag vom xx.xx.2013 wurden die P eG und die OGM eG (im Folgenden OGM) zur Klägerin verschmolzen. Die Fusion wurde am xx.xx.2014 im Genossenschaftsregister eingetragen.

Die OGM übernahm im Streitjahr 2010 für ihre Mitglieder die Vermarktung des angelieferten Obstes und Gemüses. In ihren Anlieferungsordnungen hatte sie festgelegt, dass sich die Auszahlungspreise an die Erzeuger aus den jeweiligen Verkaufserlösen "abzüglich der von der P eG festgesetzten Abschläge" ergeben. Diese Abschläge werden als Marktgebühren bezeichnet und wurden einbehalten. Sie dienten der Umlage der bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin anfallenden Kosten für die Erfüllung der satzungsgemäßen Aufgaben.

Die Erhebung der Marktgebühren erfolgte - abhängig vom Gesamtumsatz des Landwirts - als Prozentsatz des Verkaufserlöses (0% bis 12%). Sie wurde im Rahmen einer Abrechnung durch Gutschrift gegenüber den Erzeugern einbehalten; der verbleibende Betrag wurde gem. § 24 UStG, bzw. bei Option mit dem ermäßigten Steuersatz versteuert.

Daneben wurde auch ein sog. Betriebsfondsbeitrag (4% des Netto-Warenwerts) vom so ermittelten Auszahlungsbetrag einbehalten.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin nahm aus den Abrechnungen den Vorsteuerabzug in Anspruch.

Beispiel für eine Abrechnung (neutralisiert Bl. 104 ff. PA):

Netto-Warenwert der gelieferten Ware

1.000,00 €

abzügl. 10% Marktgebühr

- 100,00 €

Entgelt netto

900,00 €

zzgl. 10,7% MwSt

96,30 €

Gutschrift brutto (vor Abzug)

996,30 €

abzügl. Betriebsfonds-Beitrag (4% von 1.000 €)

- 40,00 €

Auszahlungsbetrag

956,30 €

Gegenüber den Endabnehmern trat OGM als Verkäufer auf (beispielhafte Rechnungen Bl. 89 ff. PA). Im Einzelnen:

Die Satzung der OGM in der für das Streitjahr gültigen Fassungen (Sonderakte "Vertragliche Unterlagen, Geschäftsvorfälle" Band II, Bl. 61 ff.)) enthält keine Regelung über die Erhebung von laufenden Mitgliedsbeiträgen; solche werden lt. Klägerin nicht erhoben. Jedes Mitglied muss mindestens einen Geschäftsanteil erwerben. Die Aufgaben der Genossenschaft sind in § 2 Abs. 2 lit. a) bis j) der Satzung aufgeführt.

Die Anlieferungsbedingungen sind in § 12 der Satzung und der Anlieferungsordnung "Obst und Gemüse" geregelt. Für 2010 gilt die Anlieferungsordnung Stand 12.02.2003 (Sonderakte "Vertragliche Unterlagen, Geschäftsvorfälle" Band II, Bl. 123 ff.).

Anlieferer werden nach der Anlieferungsordnung nur zugelassen, wenn sie Mitglied der Genossenschaft sind. Die Mitglieder sind verpflichtet, alle in ihrer Wirtschaft anfallenden marktfähigen und zum Absatz über die Erzeugerorganisation geeigneten Obst- und Gemüseerzeugnisse, mit Ausnahme der für ihren Haushalt benötigten Mengen, anzuliefern. Direktverkäufe sind nur mit Zustimmung der Erzeugerorganisation vorzunehmen und mit ihr abzurechnen. Davon abweichend können gem. § 12 f der Satzung i.V.m. § 2 der Anlieferungsordnung 2003 mit Zustimmung der Genossenschaft bis zu 20%, bzw. 25% der Erzeugnisse unter gewissen Bedingungen ab Hof verkauft werden.

§ 4 "Vermarktung" der Anlieferungsordnungen enthält Regelungen u.a. hinsichtlich Eigentumsübergang, Kaufpreis, Abrechnung.

In der Anlieferungsordnung vom 13.02.2003 lautet die Bestimmung zum Auszahlungspreis an den Erzeuger (§ 4 Abs. 5 Kaufpreis) "… abzüglich der von der Erzeugerorganisation festgesetzten Abschläge (u.a. Verpackungskosten, Werbebeiträge, Kühlkosten etc.)". In der Anlieferungsordnung 2011 (§ 4 Abs. 4 Kaufpreis) fehlt der Klammerzusatz.

Der Lieferschein wird mit Annahmeprotokoll bezeichnet.

OGM vermarktete die angelieferten Erzeugnisse im eigenen Namen für eigene Rechnung (entsprechend § 4 der Anlieferungsordnung). Der Verkauf durch die Genossenschaft ist geregelt in allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen (Stand 2007 für OGM; Sonderakte "Vertr...

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