Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage des potenziellen Wettbewerbs bei Dienstleistungen für militärische Einrichtungen
Leitsatz (amtlich)
1. Ein an eine Behörde gerichteter Bescheid ist nicht deshalb wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig, weil Inhaltsadressat die von der Behörde vertretene Gebietskörperschaft ist.
2. Erbringt eine Einrichtung des öffentlichen Rechts eine Leistung an eine andere Einrichtung des öffentlichen Rechts, die in dieser Form nur von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts und nicht von einem privaten Unternehmer erbracht werden kann, so ist es unerheblich, wenn die Leistungserbringung aufgrund eines privatrechtlich geschlossenen Vertrages erfolgt.
Kann eine als einheitliche Leistung zu beurteilende Gesamtleistung aufgrund von militärischer Sicherheits- und Geheimhaltungsbestimmungen für einzelne Leistungsbestandteile nicht von einem privaten Unternehmer erbracht werden, so liegt keine potenzielle Wettbewerbssituation vor, auch wenn andere Leistungsbestandteile für sich gesehen von privaten Unternehmern erbracht werden könnten.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, 3 S. 1; UStDV § 51 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, § 55; AO § 119 Abs. 1; EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 10.09.2015; Aktenzeichen V R 48/14) |
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides gemäß § 55 UStDV in der für die Jahre 1999 und 2000 gültigen Fassung.
Der Kläger ist eine Bundesbehörde, deren Aufgabenbereich sich u.a. auf die Materialbeschaffung für die Bundeswehr, die Forschung und Entwicklung neuer Waffensysteme und die Wartung bestehender Systeme erstreckt. Zu seinen Aufgaben gehört auch die kassenmäßige Abwicklung von Verträgen, die direkt vom Bundesminister für Verteidigung abgeschlossen werden.
Der Kläger hatte am 28.01.1999 einen Vertrag mit der im europäischen Ausland ansässigen NATO-Behörde – im Folgenden N –, deren Aufgabe in erster Linie die Unterstützung der NATO-Mitgliedsstaaten durch gemeinsame Beschaffungsmaßnahmen, Versorgung und Ersatzteilbevorratung, daneben auch die Zur-Verfügung-Stellung von Wartungs- und Instandsetzungseinrichtungen ist, abgeschlossen. Die N beauftragt im eigenen Namen und für Rechnung der NATO in- und ausländische Unternehmen mit der Lieferung von Ersatzteilen und der Ausführung von Dienstleistungen.
Auftraggeber des Vertrages vom 28.01.1999 war die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Verteidigung, dieses vertreten durch den Kläger. Vertragsgegenstand war der Abbau der Ausstattung einer stillgelegten militärischen Anlage (CRC) und deren Wiederaufbau und betriebsbereite Übergabe am Standort S. Im Einzelnen wurden folgende Arbeiten durchgeführt:
- Durchführung einer neuen Site Survey vor Beginn der Arbeiten und Detailabstimmung
- Abbau der Antennenanlage und von Gerät am bisherigen Standort
- Transport zur Depot-Instandsetzung
- Vollständige Überholung des Geräts
- Durchführung von Engineering Changes zur Herstellung der gültigen Konfiguration
- Überprüfung des Geräts in der Referenzanlage
- Kalibrierung der dazu gehörenden speziellen Prüfmittel
- Vervollständigung der Dokumentation
- Transport nach S
- Installation und Test des Geräts und der Antennenanlage in der Interimsinfrastruktur
- Installation und Test des Geräts und der Antennenanlage am endgültigen Standort
- Lieferung und Einbau konfektionierter Antennenkabel
Ursprünglich war hierfür ein Festpreis ... DM zzgl. 16% MwSt = ... DM (Gesamtauftragswert ... DM) vereinbart. Der Vertrag vom 28.01.1999 enthielt in § 6 die Klausel, dass der Auftragnehmer die deutsche Umsatzsteuer auf der Grundlage des vertraglichen Entgelts entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu berechnen und gemäß §§ 51 bis 56 UStDV unmittelbar an das zuständige Finanzamt abzuführen hat.
Mit Änderungsvertrag vom 03.04.2000 wurde das Entgelt auf ... DM netto erhöht. Die Vertragsparteien gingen davon aus, dass keine Umsatzsteuer anfällt.
Im Jahr 1999 leistete der Kläger an die N Zahlungen in Höhe von ... DM. Am 31.01.2000 wurden weitere ... DM gezahlt. Umsatzsteuer wurde nicht abgeführt. Die Auftragsarbeiten wurden im Jahr 2011 abgeschlossen (Schlusszahlung ... DM am 4. Januar 2001).
Der Beklagte führte beim Kläger eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Jahre 1998 und 1999, sowie die Monate Januar bis März 2000 durch (Prüfungsbericht vom 10.01.2001, Bl. 95 – 98 Prozessakte – PA –).
Aufgrund der Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am 04.09.2001 einen Haftungsbescheid gemäß § 55 UStDV in der damals gültigen Fassung gegenüber dem Kläger, mit dem dieser für Umsatzsteuer 1999 und 2000 in Höhe von ... DM in Haftung genommen wurde (Bl. 170 – 172 Akte-FA).
Mit seinem dagegen gerichteten Einspruch machte der Kläger geltend, der Haftungsbescheid sei mangels Bestimmtheit nichtig. Außerdem habe die N nicht als Unternehmer, sondern hoheitlich gehandelt.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 19.06.2009 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die N sei...