Leitsatz
Das Thüringer OLG hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, wie ein noch nach altem Recht begonnenes und nach § 2 VAÜG ausgesetztes Versorgungsausgleichsverfahren nach dessen Wiederaufnahme zu behandeln ist und welche Rechtsfolgen hieraus resultieren.
Sachverhalt
Die Ehe der Parteien war mit Urteil des AG vom 17.9.2007 geschieden und das Verfahren über den Versorgungsausgleich nach § 2 Abs. 1, 2 VAÜG ausgesetzt worden.
Mit Beschluss vom 25.3.2010 hat das AG das Versorgungsausgleichsverfahren wieder aufgenommen. Nach den eingeholten Auskünften hatten beide Eheleute in der gesetzlichen Rentenversicherung sowohl Ost- als auch Westanrechte erworben. Die Ehefrau hatte darüber hinaus ein Anrecht aus einer privaten Altersversorgung mit einem ehezeitlichen Kapitalwert erworben.
Das AG hat mit Beschluss vom 12.7.2010 den Versorgungsausgleich geregelt, die West- und Ost-Anwartschaften der Eheleute einer internen Teilung unterworfen und hinsichtlich des Anrechts der Ehefrau bei der privaten Lebensversicherung von einem Ausgleich wegen Geringfügigkeit nach § 18 Abs. 3 VersAusglG abgesehen.
Von einer Kostenentscheidung hat das AG abgesehen und einen gesonderten Verfahrenswert nicht festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kostenentscheidung folge der Entscheidung im Scheidungsurteil. Eine neue Kostenentscheidung sei nicht zu treffen.
Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass nunmehr ein "neues" Verfahren zur Durchführung des Versorgungsausgleichs angestoßen worden sei und deswegen hierfür eine gesonderte Kostenentscheidung getroffen werden müsse und ein gesonderter Verfahrenswert festzusetzen sei. Insoweit werde nach dem Wortlaut in Art. 111 Abs. 4 FGG-RG ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass das Verfahren "fortgeführt werde".
Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde der Bevollmächtigten des Antragsgegners gegen Ziff. 3 des Beschlusses zur Wertfestsetzung.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidung
Die Beschwerde führte zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Das AG habe das wieder aufgenommene Versorgungsausgleichsverfahren zutreffend nach Art. 111 Abs. 4 FGG-RG als selbständige Familiensache unter Anwendung des ab dem 1.9.2009 geltenden Rechts fortgeführt. Nach § 48 Abs. 2 VersAusglG gelte für ausgesetzte Versorgungsausgleichsverfahren unabhängig davon, ob die Aussetzung vor oder nach dem 1.9.2009 erfolgt sei, nicht nur neues materielles, sondern auch neues Verfahrensrecht.
Unter Hinweis auf hierzu in Rechtsprechung und Literatur vertretene divergierende Ansichten schloss sich das OLG Thüringen der Auffassung an, dass § 48 Abs. 2 VersAusglG durch die Bestimmung zu Art. 111 Abs. 4 S. 1 FGG-RG ergänzt werde, nach der auch auf Versorgungsausgleichsverfahren, die am 1.9.2009 "abgetrennt seien", die Vorschriften des FGG-RG angewendet werden müssten. Die Rechtsfolge der im vorliegenden Fall nach § 2 Abs. 1, 2 VAÜG erfolgten Aussetzung des Verfahrens bestehe darin, dass gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 VAÜG die Bestimmung zu § 628 Abs. 1 ZPO entsprechend gegolten habe.
Demnach werde die Aussetzung in der Rechtsfolge wie eine "Abtrennung" behandelt. Da nach neuem Recht auch auf die nach altem Recht "abgetrennten" Versorgungsausgleichsverfahren die Vorschriften des FGG-RG anzuwenden seien, finde also auch gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 4 FGG-RG das FamFG Anwendung.
Die im vorliegenden Fall nach § 2 VAÜG erfolgte Aussetzung des Versorgungsausgleichs habe nach § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG i.V.m. § 628 ZPO a.F. zu einer Abtrennung geführt, der den Scheidungsverbund dennoch aufrecht erhalten habe und in ihren Rechtsfolgen darauf beschränkt geblieben sei, innerhalb des Verbundes zeitlich versetzte Teilentscheidungen zu ermöglichen.
Es sei dadurch mithin kein neues selbständiges Versorgungsausgleichsverfahren entstanden, vielmehr sei die Wiederaufnahme eines in dieser Weise ausgesetzten Versorgungsausgleichs nach altem Recht durch Fortsetzung des (vorhandenen) Verfahrens innerhalb des bestehen gebliebenen Verbundes. Diese Rechtslage sei mit Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG geändert worden. Diese Vorschrift ordne ausdrücklich an, alle "vom Verbund abgetrennten Folgesachen ... des Satzes 1", somit auch die hier vorliegende Konstellation, als "selbständige Familiensachen" fortzuführen (OLG Dresden, Beschl. v. 15.9.2010 - 20 WF 785/10, Quelle: www.juris.de).
Abs. 4 S. 1 bestimme zunächst, dass das neue Verfahrensrecht auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1.9.2009 vom Verbund abgetrennt gewesen oder nach diesem Zeitpunkt abgetrennt worden seien, Anwendung finde. Satz 2 diene der Klarstellung, dass dies auch dann gelte, wenn die Versorgungsausgleichsfolgesache gemeinsam mit weiteren Folgesachen aus dem Verbund abgetrennt werde. Alle abgetrennten Folgesachen würden als selbständige Verfahren fortgeführt und ständen zueinander nicht im Restverbund.
Damit ergebe sich aus Art. 111 Abs. 2 FGG-RG eine echte Verfahrenstrennung kraft Gesetzes, die in ihren Rechtsfolgen § 623 Abs. ...