Leitsatz
Das OLG hat sich in dieser Entscheidung mit einer in der Praxis häufig auftauchenden Situation auseinandergesetzt, dass ein selbständiger Unterhaltsschuldner sich auf reduzierte bzw. fehlende Leistungsfähigkeit wegen geringer Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit beruft. Gegenstand des Verfahrens war die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen dem Unterhaltsschuldner in einem solchen Fall ein fiktives Einkommen aus abhängiger Tätigkeit zuzurechnen ist.
Sachverhalt
Zwei aus einer nichtehelichen Beziehung des Antragsgegners und der gesetzlichen Vertreterin der Antragsteller hervorgegangene Kinder nahmen ihren Vater auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. Der Antragsgegner wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 14.8.2008 verurteilt, auf der Grundlage der ersten Einkommensgruppe und der ersten Altersstufe der seinerzeit geltenden Düsseldorfer Tabelle Kindesunterhalt zu leisten.
Der Kindesvater, der einen Onlineshop betrieb, stellte seine Unterhaltszahlungen mit dem Monat Oktober 2009 ein. Die beiden minderjährigen Kinder begehrte im Wege der Abänderung Erhöhung des Kindesunterhalts sowie Zahlung der hälftigen Kindergartenbeiträge. Ihnen wurde für ihre Anträge Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Der Kindesvater trat dem entgegen und begehrte Verfahrenskostenhilfe für seinen Wiederantrag. Er habe neben seiner selbständigen Tätigkeit im März 2008 eine vollschichtige Tätigkeit als Hilfsarbeiter aufgenommen, diese Tätigkeit jedoch mit Blick auf den bedenklichen Einbruch seiner Umsätze aus selbständiger Tätigkeit im November 2008 aufgegeben.
Verfahrenskostenhilfe für seinen Wiederantrag wurde ihm nicht gewährt.
Hiergegen wandte sich der Kindesvater mit der sofortigen Beschwerde, die ohne Erfolg blieb.
Entscheidung
Auch das OLG vertrat die Auffassung, dass der Kindesvater sich nicht auf Leistungsunfähigkeit berufen könne. Vielmehr müsse er sich aufgrund der gegenüber seinen minderjährigen Kindern bestehenden gesteigerten Erwerbsobliegenheit unterhaltsrechtlich ein fiktives Einkommen aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis i.H.v. mindestens 1.448,00 EUR zurechnen lassen.
Erziele ein Unterhaltsschuldner über einen längeren Zeitraum hinweg aus seiner selbständigen Tätigkeit keine bzw. nur geringfügige Einkünfte, sei ihm ein fiktives Einkommen aus abhängiger Tätigkeit zuzurechnen. Der Umstand, dass der Unterhaltspflichtige seit Jahren selbständig tätig sei und bei vollschichtigem Einsatz aus seiner bisherigen selbständigen Tätigkeit kein den Kindesunterhalt sicherndes Einkommen erziele, lasse nur den Schluss zu, dass die selbständige Tätigkeit entweder nicht lukrativ sei, weil das Einkommen in keinem Verhältnis zu dem Arbeitsaufwand stehe und es sich insoweit als "Liebhaberei" darstelle, oder aber tatsächlich höhere Einkünfte erzielt würden. Der Unterhaltspflichtige könne sich gegenüber seinen minderjährigen Kindern nicht darauf berufen, eine solche völlig unwirtschaftliche Tätigkeit fortsetzen zu wollen (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2009, 1921).
Bei dieser Sachlage müsse sich der Unterhaltspflichtige unterhaltsrechtlich darauf verweisen lassen, seine Selbständigkeit aufzugeben und eine besser bezahlte abhängige Erwerbstätigkeit aufzunehmen.
Unter Berücksichtigung dessen sei dem Kindesvater jedenfalls ein durchschnittliches fiktives Einkommen aus abhängiger Tätigkeit, wie er als Hilfsarbeiter erzielt habe, i.H.v. monatlich durchschnittlich 1.350,00 EUR anzurechnen. Zur Sicherung des Kindesunterhalts habe er diese Tätigkeit nicht zu Lasten der Weiterführung seiner selbständigen Tätigkeit aufgeben dürfen. Ferner sei dem Kindesvater ein Einkommen aus seinem neben der vollschichtigen Tätigkeit betriebenen Online-Handel i.H.v. monatlich 98,00 EUR zuzurechnen.
Bei einem durchschnittlichen monatlichen Einkommen i.H.v. 1.448,00 EUR sei er in der Lage, den Mindestunterhalt seiner minderjährigen Kinder zu decken sowie für den hälftigen Kindergartenbeitrag für eines der Kinder aufzukommen.
Link zur Entscheidung
Saarländisches OLG, Beschluss vom 28.04.2010, 9 WF 41/10