Leitsatz
Gegenstand dieses Verfahrens war die Frage, ob bei der Bedarfsermittlung für einen Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau der nicht erwerbstätigen aktuellen Ehefrau des Unterhaltspflichtigen ein fiktives Einkommen zugerechnet werden darf.
Sachverhalt
Im Rahmen eines Abänderungsverfahrens begehrte der Kläger den Wegfall des Ehegattenunterhalts der geschiedenen Ehefrau. Zur Begründung seines Klagebegehrens berief er sich auf Änderungen des Unterhaltsrechts, seines Einkommens sowie auf seine neue Ehe. Seine zweite Ehefrau war nicht erwerbstätig.
Die Beklagte verteidigte sich gegen die Klage u.a. mit der Begründung, dass bei der Berechnung ihres Unterhaltsanspruchs der jetzigen Ehefrau des Klägers ein fiktives Einkommen zugerechnet werden müsse. Prozesskostenhilfe wurde ihr nur insoweit gewährt, als sie sich gegen die Herabsetzung des Unterhalts auf weniger als 109,00 EUR monatlich seit September 2008 wehrte. Prozesskostenhilfe für die weitergehende Rechtsverteidigung wurde versagt.
Hiergegen legte die Beklagte Beschwerde ein, die teilweise Erfolg hatte.
Entscheidung
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das OLG ihr für die Rechtsverteidigung teilweise Prozesskostenhilfe bewilligt und dabei für die Prüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung eine Berechnung zugrunde gelegt, die die Anrechnung eines fiktiven Erwerbseinkommens bei der aktuellen Ehefrau berücksichtigt. Dies sei geboten, weil die Frage der Zurechnung eines fiktiven Einkommens bei der zweiten Ehefrau durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt sei. Im Prozesskostenhilfeverfahren dürfe die Frage daher nicht zu Lasten der Beklagten beantwortet werden.
Für die Entscheidung in der Hauptsache wies das OLG allerdings darauf hin, dass es der Möglichkeit der Zurechnung eines fiktiven Einkommens aufseiten der aktuellen Ehefrau skeptisch gegenüber stehe und insoweit erhebliche rechtliche Bedenken habe.
Voraussetzung für die Anrechnung eines fiktiven Einkommens sei, dass die zwischen dem Unterhaltspflichtigen und seiner mit ihm zusammenlebenden Ehefrau vereinbarte Rollenverteilung als unterhaltsrechtlich vorwerfbares Verhalten zum Nachteil der geschiedenen Ehefrau zu qualifizieren sei. Insoweit erscheine es inkonsequent, die Entscheidung des Unterhaltsverpflichteten, weitere Unterhaltspflichten einzugehen, unterschiedlich zu beurteilen und Kindesunterhalt oder die Unterhaltspflicht ggü. einem erwerbsunfähigen Ehegatten einerseits zu berücksichtigen, die neue Ehe mit einem erwerbsfähigen Ehegatten aber andererseits damit zu belasten, eine Erwerbstätigkeit zu thematisieren.
Hinweis
Bei dem Zusammentreffen von Ehegattenunterhaltsansprüchen des geschiedenen Ehegatten mit denen eines weiteren Ehegatten hat der BGH entschieden, dass der Bedarf der Ehegatten nach der Drittelmethode zu berechnen ist (BGH v. 30.07.2008 zum Aktenzeichen XII ZR 177/06 in FamRZ 2008, 1911 ff.).
In den Fällen, in denen sich das neue Ehepaar für die Nichterwerbstätigkeit des weiteren Ehegatten entscheidet, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob und inwieweit im Rahmen der Drittelberechnung diesem Ehegatten ein fiktives Einkommen zugerechnet werden kann und welche Kriterien hierfür gelten.
Link zur Entscheidung
OLG Bremen, Beschluss vom 15.05.2009, 4 WF 50/09