Rz. 111
Grundsätzlich können Aktien erworben und übertragen werden, ohne dass ein Dritter den Aktienerwerb beeinflussen kann (OYL 1:4). Die Satzung kann jedoch bestimmen, dass ein Aktionär, die Gesellschaft oder eine andere Person berechtigt ist, eine Aktie einzulösen, die von einem anderen als der Gesellschaft auf einen neuen Inhaber übergeht (OYL 3:7). Durch eine solche Einlösungsklausel wird normalerweise der Erwerb der Aktien durch Personen ausgeschlossen, die aus der Sicht der Aktionäre schädlich sind. Durch das Einlösungsrecht kann auch bezweckt werden, dass das steigende Gesellschaftsvermögen den "alten" Aktionären zukommt. Dann wird beispielsweise der Einlösungspreis niedriger angesetzt als der Marktpreis der Aktien. Es kann auch beabsichtigt sein, die gegenseitigen Kräfteverhältnisse der Gesellschafter beizubehalten. Wird das Einlösungsrecht einem Außenstehenden gewährt, geschieht dies oft aus dem Grund, dass der Gründer oder der Gläubiger der Gesellschaft überwachen kann, dass Aktionäre der Gesellschaft nur solche Personen sind, für die die Gesellschaft bezweckt worden ist. In diesem Zusammenhang enthalten die Satzungsbestimmungen oft aus internationalen Transaktionen bekannte Tag-along und/oder Drag-along-Klauseln.
Rz. 112
Sofern die Satzung nichts anderes bestimmt, gilt bei der Einlösung gemäß OYL 3:7.2 Folgendes:
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das Einlösungsrecht gilt bei jeglichen Erwerbsvorgängen; |
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sämtliche Aktien eines Erwerbsvorgangs sind einzulösen; |
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der Einlösungspreis entspricht dem Marktpreis der Aktie; |
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der Vorstand muss den Einlösungsberechtigten schriftlich innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme über die Übertragung der Aktie benachrichtigen; |
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die Frist zur Geltendmachung des Einlösungsanspruchs gegenüber der Gesellschaft – oder bei Geltendmachung durch die Gesellschaft gegenüber dem Erwerber der Aktie – beträgt zwei Monate ab dem Zeitpunkt der Mitteilung des Übergangs an den Vorstand; |
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die Frist für die Errichtung des Einlösungspreises beträgt einen Monat nach Ablauf der Frist zur Geltendmachung des Einlösungsanspruchs. |
Rz. 113
Das Einlösungsrecht kann jedermann, auch der Gesellschaft selbst, gewährt werden. Die Gesellschaft kann eine Aktie aber nur mit Mitteln einlösen, die sie zur Gewinnausschüttung verwenden darf. Wird die Aktie durch die Gesellschaft eingelöst, finden die Vorschriften hinsichtlich der eigenen Aktien Anwendung (OYL 3:7.5).
Rz. 114
Zusätzlich muss die Aktienurkunde eine ausdrückliche Angabe darüber beinhalten, dass die Satzung eine Einlösungsklausel enthält (OYL 3:10.2 Nr. 4). Das Fehlen einer solchen Angabe führt jedoch nicht dazu, dass das Einlösungsrecht nicht ausgeübt werden dürfte. Vorstandsmitglieder, die das Fehlen dieser Angabe verschuldet haben, können sich aber gegenüber einem gutgläubigen Erwerber schadenersatzpflichtig machen (OYL 22:1).
Rz. 115
Der Erwerber hat seinen Erwerb dem Vorstand formfrei mitzuteilen. Teilt der Erwerber seinen Erwerb nicht mit, bleibt das Einlösungsrecht erhalten, bis die Mitteilung erfolgt ist. Der Erwerber kann davor weder als Aktionär anerkannt noch in das Aktionärsverzeichnis eingetragen werden. Es ist auch möglich, den Erwerber durch eine Klage vor Gericht zu zwingen, seinen Erwerb mitzuteilen.
Rz. 116
Bevor sich herausstellt, ob das Einlösungsrecht ausgeübt wird, hat der Erwerber der Aktie in der Gesellschaft keine anderen auf der Aktie beruhenden Rechte als das Recht auf Gewinnverteilung und das Vorzugsrecht zur Aktienzeichnung. Die aus einer derartigen Zeichnung erfolgten Rechte und Pflichten gehen auf denjenigen über, der sein Einlösungsrecht ausübt (OYL 3:7.4).