I. Materielle Voraussetzungen, Ehehindernisse, Nichtigkeit der Trauung
1. Materielle Voraussetzungen
Rz. 1
Die materiellen Voraussetzungen für die Eheschließung sind im Ehegesetz (avioliittolaki; im Folgenden: AL) normiert. Das Ehegesetz trat am 1.1.1930 in Kraft und wurde seitdem häufig geändert. Aufgrund der stetigen Aktualisierung steht es im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsverträgen. Kapitel 1 des finnischen Ehegesetzes behandelt die allgemeinen Vorschriften. Bisher sind gemäß § 1 AL sind Frau und Mann, die sich geeinigt haben, die Ehe einzugehen, verlobt. Ab dem 1.3.2017 wird die Vorschrift auf gleichgeschlechtliche Paare ausgedehnt. Dies wurde durch das Änderungsgesetz zum Ehegesetz (156/2015) geändert. Die Ehe wird durch die Trauung geschlossen. Vor Durchführung der Trauung ist jedoch zu prüfen, dass keine Ehehindernisse bestehen.
2. Ehehindernisse
Rz. 2
Ehehindernisse sind in Kapitel 2 des finnischen Ehegesetzes geregelt.
a) Minderjährigkeit
Rz. 3
Minderjährige, d.h. unter 18-Jährige, dürfen gem. § 4 AL nicht heiraten. Die Möglichkeit, durch das Justizministerium eine Erlaubnis für die Heirat Minderjähriger bei Vorliegen besonderer Gründe erteilt zu bekommen, wurde durch das Gesetz 15.3.2019/337 zum 1.6.2019 abgeschafft. Das Mindestalter wird vom finnischen Strafrecht diktiert, da nach Kapitel 20 § 6 des finnischen Strafgesetzbuches die Vollziehung des Geschlechtsaktes mit einer Person, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, strafbar ist und die Eingehung der Ehe diese Strafbarkeit nicht aufhebt.
b) Bestehende Ehe/Registrierte Partnerschaft
Rz. 4
Nach § 6 AL darf die Ehe nicht geschlossen werden, wenn eine vorherige Ehe noch besteht. Eine bestehende gleichgeschlechtliche Partnerschaft nach dem Gesetz über die registrierte Partnerschaft (RekParL) ist gem. § 6 AL ebenfalls ein Ehehindernis, unabhängig davon, ob diese gleichgeschlechtliche Partnerschaft in Finnland oder in einem anderen Staat registriert ist.
c) Verwandtschaft
Rz. 5
Eine Ehe darf nicht geschlossen werden zwischen Verwandten ersten Grades, § 7 AL. Ebenso dürfen Halbgeschwister einander nicht ehelichen. Das Ehehindernis bleibt bestehen, auch wenn einer der angehenden Ehepartner früher zur Adoption freigegeben wurde. Auf Antrag kann vom Justizministerium jedoch eine Sondererlaubnis erteilt werden. Abkömmlinge von Geschwistern dürfen ebenfalls nur bei Vorliegen einer Sondererlaubnis des Justizministeriums geehelicht werden, § 9 AL.
3. Folgen einer Eheschließung trotz Vorliegens von Ehehindernissen
Rz. 6
Sofern trotz Vorliegens von Ehehindernissen der Standesbeamte die Trauung vorgenommen hat, ist gem. § 27 AL auf Antrag eines oder beider Ehegatten die Scheidung ohne Bedenkzeit auszusprechen. Des Weiteren kann die Scheidung auch seitens der Staatsanwaltschaft bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 27 AL beantragt werden. Sofern einer der Ehegatten bei Eheschließung noch verheiratet war oder in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft lebte und die vorherige Ehe noch nicht geschieden bzw. die eingetragene Lebensgemeinschaft noch nicht aufgelöst ist, steht neben dem Ehepartner (aus zweiter Ehe/Partnerschaft) auch dem jeweiligen Partner aus erster Ehe/Partnerschaft das Recht zu, ohne Bedenkzeit die Scheidung oder die Aufhebung der Partnerschaft zu beantragen.
II. Zuständige Behörde und Verfahren
1. Zuständige Behörde
Rz. 7
Im finnischen Eherecht gilt der Grundsatz der fakultativen Zivilehe. Die Pflicht, wie in Deutschland, zwingend auch standesamtlich zu heiraten, besteht nicht. Die Trauung kann gem. § 17 AL von einem Pfarrer der evangelisch-lutherischen oder orthodoxen Glaubensgemeinschaft vorgenommen werden. Voraussetzung hierbei ist, dass einer der Brautleute dieser Glaubensgemeinschaft angehört. Bei anderen Glaubensgemeinschaften wird die Trauung von demjenigen vorgenommen, der nach den Regeln dieser Glaubensgemeinschaft das Recht dazu besitzt. Allerdings muss dieser Glaubensgemeinschaft vom Bildungsministerium das Recht verliehen worden sein, Trauungen vorzunehmen. Wurde im Jahr 2006 noch die kirchliche Trauung der standesamtlichen zahlenmäßig vorgezogen (17.000 zu 10.000), hat sich das Verhältnis über die Jahre verschoben (8.750 zu 10.000 im Jahr 2019). Der Trend geht einerseits weiter hin zur Zivilehe, andererseits nimmt die Anzahl der Trauungen stetig ab.
2. Verfahren
a) Aufgebot/Grundzüge
Rz. 8
Die Prüfung, dass keine Ehehindernisse vorliegen, wird von der Digi- und Bevölkerungsinformationsregisterbehörde oder, sofern gewünscht, von der evangelisch-lutherischen oder orthodoxen Kirche durchgeführt, wenn einer der Verlobten dieser Kirche angehört. Die Verlobten haben gemeinsam die Prüfung der Ehehindernisse zu beantragen und gleichzeitig zu versichern, dass keine Ehehindernisse bestehen. Des Weiteren haben beide mitzuteilen, ob sie vorher verheiratet gewesen sind oder in einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft geleb...