I. Notwendigkeit eines Nachlassverfahrens im Inland
Rz. 106
Die Errichtung des Nachlassinventars muss nur dann durchgeführt werden, wenn der Erblasser seinen Wohnsitz in Finnland hatte. Ein vorübergehender Aufenthalt führt jedoch nicht zu einer Verlegung des Wohnsitzes im Sinne der finnischen Gesetze. Zu beachten ist auch, dass finnische Diplomaten als in Finnland wohnansässig gelten. Eine Person, die für längere Zeit als ein Jahr ins Ausland zieht, gilt nicht mehr als in Finnland wohnansässig. Diese Regelung ist jedoch nicht zwingend. Im Zweifel kommt es darauf an, zu welchem Land der Erblasser eine engere Verbindung hatte.
Rz. 107
Sofern der Nachlass in Finnland zu versteuern ist, wird die Errichtung des Nachlassinventars durch eine in Finnland vorzunehmende Erbschaftsteuererklärung ersetzt.
II. Abwicklung von in Finnland belegenem Nachlass, wenn der Erblasser außerhalb Finnlands wohnt
Rz. 108
Das Nachlassinventar (siehe Rdn 81 ff.) ist nur in den Fällen zu errichten, in denen der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in Finnland hatte. Auf der Basis des Nachlassinventars wird die Erbschaftsteuer erhoben. Das Nachlassinventar ersetzt die Erbschaftsteuererklärung.
Rz. 109
Hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz außerhalb Finnlands, wird statt der Errichtung des Nachlassinventars eine Erbschaftsteuererklärung abgegeben. In der Steuererklärung sind umfangreiche Angaben zu den in Finnland sowie im Ausland befindlichen Nachlassgegenständen zu machen, die dann als Grundlage für die Steuerbemessung genommen werden.
Rz. 110
Die Erbschaftsteuererklärung ist binnen drei Monaten nach dem Tode des Erblassers bei dem Finanzamt in Finnland einzureichen. Unter der Internetpräsenz der Finanzbehörden in Finnland sind Erläuterungen und Formular auch in englischer Sprache zu finden. Von einer Abgabe ohne vertiefte Kenntnis wird abgeraten. Eine Fristverlängerung wird großzügig erteilt, soweit sie vor Ablauf der Frist beantragt wurde. Nach Erfahrung des Verfassers ist mit einer Bearbeitungszeit von etwa einem Jahr zu rechnen. Sofern der Erblasser kein Vermögen in Finnland hinterlässt, ist die Steuererklärung bei dem Finanzamt des Erben/Begünstigten einzureichen.
Rz. 111
Banken in Finnland lassen sowohl das Europäische Nachlasszeugnis als auch einen Erbschein als Nachweis der Erbenstellung gelten. Ein deutsches notarielles Testament wird nach der Erfahrung des Verfassers als Nachweis nicht anerkannt. Dies betrifft auch die Umschreibung des Grundstücks im Grundbuch. Hierfür ist in Finnland die Maanmittauslaitos-Behörde zuständig. Trotz englischsprachigen Internet-Auftritts braucht es in der Praxis neben finnischer Sprachkenntnis in einzelnen Fällen etwas Beharrlichkeit, im internationalen Erbfall den Erben im Grundbuch als Eigentümer eintragen zu lassen.
III. Anwaltskosten in Finnland
Rz. 112
Eine dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entsprechende Gebührenordnung gibt es in Finnland nicht. Üblicherweise rechnen finnische Anwälte ihre Honorare auf Stundenbasis ab, wobei von einem Stundensatz von etwa 200–350 EUR zzgl. 24 % MwSt. ausgegangen werden kann. Erbrechtliche Mandate werden oft auch nach zu vereinbarenden Pauschalen abgerechnet. Anwälte in der Hauptstadtregion sind tendenziell teurer als Anwälte in der Provinz. Die Errichtung eines Nachlassinventars (perukirja) wird in Finnland auch von Banken zu Festpreisen angeboten, so dass nicht zwingend auf Rechtsanwälte in Finnland zurückgegriffen werden muss.